Strandleben (Woche 23)

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Wie schön so ein Strandleben doch sein kann! Und dass ich dafür nirgendwo hin reisen muss, bloß umziehen. Seit vielen Jahren schon möchte ich am Strand leben. Flipflops und Wind in den Haaren, leichtes Essen und das Rauschen der Wellen, nette Begegnungen, die nicht lange dauern müssen, abends glücklich erschöpft ins Bett fallen… Das alles kenne ich aus dem Urlaub. Und nun darf ich das einfach so erleben. Mitten in Hamburg. Vor meiner Haustür. Warum kam ich nie auf den Gedanken, dass mein Strandleben nicht am Atlantik oder Pazifik, sondern an der Elbe ein Zuhause hat?

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Strandperle

Wer Hamburg kennt, kennt die Strandperle. Meine Freundin aus Rostock sagt, es ist zu rau, doch genau das mag ich hier so gern. Paar mal im Jahr wird die Strandperle vom Hochwasser überflutet, daher ist hier alles recht rustikal aufgebaut, wie auf einer thailändischen Insel … Als es mit Corona losging, war der Strand fast immer leer, selbst als es warm wurde. Jetzt ist es je nach Wasserstand voll bis sehr voll, und wäre da nicht die Maskenpflicht auf den Toiletten und die Absperrungen am Kiosk, könnte man Corona völlig vergessen.

Ebbe und Flut

Ich mache mir Gedanken. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es Menschen, denen es so gut geht wie noch nie. Sie haben gleiches Geld für viel weniger Arbeit und weniger Stress. Und dann gibt es noch Menschen, die sind seit März weitgehend arbeitslos und versuchen, sich durchs Leben zu manövrieren. Das sind sehr verschiedene Berufe. Veranstaltungsmanager, Café-Besitzer, Coaches, Köche… Ich weiß, das ist eine Momentaufnahme, denn im nächsten Moment kann eine Firma beschließen, einen Standort zu schließen, und schon sind die Angestellten genau so betroffen wie die Freiberufler. Ebbe und Flut.

Strandleben eben. Macht fröhlich und melancholisch. Bringt das eine und das andere.

Doch ich mache mir Gedanken. Wie werden wir mit den Veränderungen, die nicht alle gleich betreffen, umgehen? Sind wir genug “WIR”, um für alle zu sorgen?

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Abreisen und Ankommen

Meine Tochter ist schon wieder weg. Ein weiteres Schuljahr. Dann ist sie mit der High school fertig. Gleichzeitig macht mein Sohn Abitur. Dann sind die beiden (laut dem Schulsystem) fertig für das erwachsene Leben.

Es war weniger aufregend am Flughafen. Weniger unbekannt. Sehr leer war es. Alle Abflüge passten locker auf die Tafel, morgens bis Abends auf einer Übersicht. Das hat das Gefühl hinterlassen, als wäre etwas nicht in Ordnung. Ganz weit da hinten, außerhalb.

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Denn innerhalb, da war alles in Ordnung. Harmonisch, entspannt, zuversichtlich. Was bleibt, ist das weiche und warme Gefühl der Abschieds-Umarmung. Flieg los, Kleine!

Loslassen. Zuversichtlich sein. Im Vertrauen sein. Mantras sind immer gut, besonders wenn man Wäsche faltet oder Gläser aus den Umzugskartons auspackt. Denn wir sind umgezogen, und die Kartons sind überall… Und leere Wände.

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Wie wird es sein?

Die Ebbe und die Flut wird in meiner neuen App vorhergesagt. Was die App nicht weiß ist, wie es sich anfühlen wird, mit den nackten Füßen durch den Sand zu laufen. Mein Vater, der seit fast 30 Jahren am Pazifik lebt, meint, es gibt keine zwei Tage, wo die Farbkombination aus Himmel und Ozean gleich aussieht. Das glaube ich gern.

Das schöne am Strandleben ist, man kann sich ihm hingeben.

Können wir das auch mit Corona? Können wir uns unserem Leben einfach hingeben? Ohne zu viel Denken, ohne Schnickschnack und Buzzwords? Werden wir einfach Menschen sein können, die so gern zusammen sind, sich gern umarmen, gern in Gesellschaft essen, lachen und Musik hören… ?

Am Strand ist es alles da. Da sitzen wir auf unseren Decken und schauen aufs Wasser. Das Wasser fließt. Mal kommt es höher, mal ist es weiter weg. Wir sind da, am Strand, und wir schieben unsere Decken auf und ab. Wir wollen einfach nur da sein, und der Strand, der lässt es einfach zu.

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Den Strand interessiert es nicht, wie es sein wird. Der Strand ist.

Amen.

petranovskaja Unterschrift signatur

Mein Corona-Tagebuch

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