Was wir in den nächsten 12 Monaten tun… (Woche 8, fragil)

petranovskaja fragil

Das Lied von Sting – “Fragile” – begleitet mich als Ohrwurm seit mehreren Tagen. Ich nehme immer mehr kleine und große Signale wahr, dass wir unsere Zerbrechlichkeit, unsere Fragilität, unterschätzen.

Seit Montag tragen wir Nasen-Mund-Schutz, auch Maske genannt. Seit Jahren rege ich mich darüber auf, wie viele von uns vor allem im beruflichen Umfeld mit einer “Maske” unterwegs sind – nicht offen, nicht authentisch. Nun tragen wir das auch noch physisch, und mir fällt auf, wie viele von uns müde Augen haben.

How fragile we are…

Ich habe das Gefühl, ein Klirren zu hören, wenn ich Nachrichten lese (und das tue ich aus Absicht nur selten). Menschen werden arbeitslos, Firmen gehen pleite, häusliche Gewalt und Kinder, um deren Bildung sich nur ein Teil der Lehrer wirklich kümmert. Politiker, die versuchen, gelassen und sicher zu wirken. Wir sind zerbrechlich. Als Menschen, als Gemeinschaft, als wirtschaftlich voneinander abhängiges Gerüst.

Die Lufthansa steht vor der Insolvenz. Für mich bricht eine ganze Welt zusammen. Wenn es eine Instanz wie Lufthansa nicht mehr gibt, die in meinem Empfinden so viele Werte der deutschen Kultur trägt… Und dann lese ich wieder begeistert, die Flugkapitäne wollen bis zu 45% ihres Gehalts spenden, um ihr Unternehmen zu retten. Ein zerbrechlicher Weltkonzern, der von den eigenen Mitarbeitern getragen wird… Was für Bilder!

Und dann kommt der Trump (oder das, was die Medien uns von ihm zeigen) und sagt, es werde in USA bald wieder alles normal.

Was ist normal?

Ist “normal” das, was uns in diese Situation gebracht hat? Ist es normal, dass jemand Milliarden auf der Börse verdient, weil er auf fallende Aktienkurse und Insolvenzen anderer Unternehmen setzt? Ist es normal, dass viele Menschen vor Corona nicht wussten, wie die Bergkette in der Ferne oder ein Sternenhimmel aussieht? Ist es normal, dass wir so viel konsumieren und alles sofort haben wollen?

Was ist normal?

Was wollen wir als unser neues Normal haben?

Heute ist der 1. Mai – Tag der Arbeit. 1886 wurde dieses Datum berühmt, weil die Arbeiter gestreikt haben. Was haben sie gefordert? Einen Wechsel von 12 auf 8 Stunden Tag.

Und heute? Wofür lohnt es sich, auf die Straße zu gehen? Was würdest du fordern, wenn es um deine Arbeit geht? Was kommt dir als erstes in den Sinn?

Free hugs

Weißt du noch, damals, vor Corona? Da gab es in den Fussgängerzonen Hippies, die haben “Free hugs” als Schild gehabt und alle, die das wollten, umarmt?

Jetzt dürfen wir das grad nicht tun.

Und dann lese ich, die Schüler in Nordrhein-Westfalen hören zuerst den Einweisungen in die Hygiene-Regeln zu und umarmen sich anschließend alle.

Jawohl!

Weil wir keine Maschinen sind. Weil unser Verstand zwar laut und teilweise diszipliniert ist, wir aber soziale und emotionale Wesen sind. Vernunft hin oder her, wir werden als Art nur dann nicht aussterben, wenn wir zulassen, dass wir Emotionen haben, die ausgelebt werden müssen. Wie jemand sagte, wenn wir uns komplett nach den Regeln verhalten, dann sterben wir von innen an emotionalem Hunger.

Wir werden überleben

Wir werden überleben, wenn wir weiterhin

  • zweifeln
  • hoffen
  • verzeihen
  • träumen
  • brauchen
  • vergessen
  • uns verlieben
  • einander zuhören und
  • sind, wer wir wirklich, wahrhaftig sind

Mehr als Klops Fleisch, der an einem Virus erkranken könnte.

Bilder der Woche

Während die Baustelle und der Abbruch mich weiterhin in Schach halten, gibt es so viele schöne Bilder aus den Momenten davor/danach/dazwischen. Danke an alle, die mich durch diese zeit begleiten!

Ein Buddha ohne Arm
Strandperle (Strandlokal an der Elbe in Hamburg) mit Absperrungen
Leere Straße vor unserem Haus, auch mit Absperrungen
Meine liebe Freundin Birgit
Home Office auf der Baustelle

Bitte achte auf dich und deine Zerbrechlichkeit. Bitte erlaube dir, nicht so viel zu schaffen wie sonst. Lasse deine Sehnsüchte und Bedürfnisse zu, finde Platz für deine Emotionen. Halte inne, atme tief durch.

Bis bald,

petranovskaja Unterschrift signatur

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