Drei Lektionen aus Dubai

petranovskaja dubai

Eins vorweg: Reisen bildet immer, und eine Reise nach Dubai könnte so manchen von uns bestimmt gut tun! Meine Erwartungen für Dubai waren ungefähr so:

  • es ist ein arabisches Land, also irgendwas mit Moschee und als Frau seltsam behandelt werden
  • es ist ein junger Staat, also viel lose und durcheinander
  • Kamele, Süßigkeiten, Rosenwasser

Ich lag weder falsch noch richtig, denn Dubai ist vor allem für eins gut: statt “oder” gibt es dort ganz viel “UND”. Es ist ein ausgezeichneter Platz, um die Ambidextrie zu verstehen.

Lektion 1: So geht #Ambidextrie

Es ist vermutlich nicht der beste Platz, um eine Lektion in der Geschichte dieses Fleckchens Erde zu bekommen. Und auch nicht der schlechteste. Denn wo nicht viel Geschichte ist, lässt sich diese schnell erklären und in Bilder verpacken. Wo früher die Kamele entlang getrieben wurden, ist heute die achtspurige Hauptstraße – Sheikh Zayed Road. Hunderte von 400 m Wolkenkratzern (Schwindelgefühle beim Spaziergang) begegnen auf paar Quadratkilometern alten Holzschiffen, auf denen Alltags-Güter (Kühlschränke, Fernseher etc.) für Stadtbewohner transportiert werden. Wunsch nach Weltführerschaft in XY und tatsächliche Vorreiterrolle in manchen Bereichen begegnen verschleierten Frauen und Gebetsräumen in den Einkaufsmalls. Friedliches nebeneinander Leben von Menschen aus 200 Nationen begegnet dem Fakt, dass ich als Frau gewisse (für mich selbstverständliche) Schritte in dem Miteinander nicht gehen kann. Zum Beispiel niemals einem Mann die Hand geben. Sehr ungewohnt.

Alt wohnt neben neu. Erkunden und Experimentieren, Innovation und Vorreiterrolle begegnet Tradition und Aufrechterhalten. Europäisch sein wollen begegnet arabisch bleiben wollen. Ein höchst spannendes Umfeld, in welchem Jeder von uns eine Oase für sich finden kann.

Ambidextrie eben.

Lektion 2: So sieht #Mut aus

Wettbewerb hat hier einen großen Stellenwert. Pferde, Kamele, andere Tiere. Aber auch alles andere, an dem man sich messen kann, ist hier in einer guten Gesellschaft. Reichtum, Größe, Länge, Ausgefallenheit, Neuheit, Einmaligkeit: Erster sein und Bester sein zählen hier ganz viel.

Ich hab mal gelesen, dass ein Pferd schneller rennt, wenn es gegen stärkere Konkurrenz antritt. Übersetzt auf Dubai heißt es so viel wie: wenn um uns herum alle auf dem Weg zu ihrem Sieg sind, motiviert es auch mich, mich etwas mehr anzustrengen. Kompetenz belebt das Geschäft? Das war gestern! Wettbewerb ist so etwas wie Sauerstoff hier. Kaum steht ein höchster Turm der Welt, wird der nächste schon zum Bau freigegeben.

Meine erste Reaktion war: die haben wohl nichts besseres zu tun. Doch beim Lesen des (sehr lesenswerten) Buches von Mohammed Bin Rashid Al Maktoum “Flashes of Thought” habe ich erkannt, dass diese Errungenschaften mehr brauchten, als nur Geld und Langeweile. Jedes einzelne Projekt, welches wir jetzt als DAS Ding kennen, brauchte eine mutige Entscheidung. Höchst spannend finde ich die Entstehungsgeschichte von der Fluglinie Emirates. Als eine Airline, die damals über 70% der Starts und Landungen in Dubai durchführte forderte, diese für sich exklusiv zu haben, entschied sich die Regierung zu einem entgegengesetzten Schritt und kündigte den Vertrag komplett. Zwei Flugzeuge wurden 1985 geleast und flogen erstmal nur drei Städte in Asien an. Nach und nach wuchs die Airline Emirates (heute drittgrößte der Welt), vorrangig mit alten Flugzeugen. Heute kennen wir die Emirates als eine der kundenfreundlichsten Airlines der Welt. #erfolgsstory

Just because Dubai was small, it didn’t mean we had to think small. How fast you go, how far you get, is in your hands. We have to be brave to be big.

Mohammed Bin Rashid Al Maktoum

Ähnlich mutige Entscheidungen wurden getroffen, als es darum ging, den heute größten von der Hand angelegten Seehafen der Welt zu bauen. Es waren – wie auch in unserer Welt – nicht alle dafür. Und es geht bestimmt munter so weiter bei den weiteren Entscheidungen, zum Beispiel zu dem neuen Super-Turm (1200 m hoch), den zollfreien Vierteln für Unternehmer oder Healthcare, dem Baustopp der Inseln… Überall werden Entscheidungen notwendig sein, und diese sind nur dann einfach, wenn der Entscheider mutig und mit einem klaren Warum unterwegs ist.

Wat vermisse ich diese Entscheidungsstärke in manchem Unternehmen!

Lektion 3: Ruhe und #Gelassenheit

Jepp, in den Ländern mit höheren Temperaturen ist Eile insgesamt nicht weit verbreitet. Das ist wenig neu. Um so schöner ist es zu sehen, wie hektisch ich mir vorkomme in diesem Land.

Nehmen wir mal die Straßen. Die Art der Straßenführung ist hier – aus deutscher Sicht – furchtbar. Selten effizient. Schlecht durchdacht. Nervig. Raubt Zeit und nerven.

Es sei denn, wir lehnen uns zurück und lernen, “arabisch” zu fahren. Das bedeutet vor allem: rechtzeitig los. Und dann nicht schimpfen, sondern einfach fahren. Bist du falsch abgebogen, kann das 10-20 Minuten Umweg bedeuten. Auf Autobahnen kommt man machmal nur in eine Richtung abgebogen, und es dauert 10-20 km, bis die nächste Ausfahrt kommt.

Oder nehmen wir mal Essen. Du möchtest Tee mit Zitrone? Yes, Ma’am, sagt der freundliche Inder und bringt dir Kaffee mit Milch. Oh, doch lieber Tee mit Zitrone? Na dann, please, Ma’am, Tee mit Milch. Oh, keine Milch? Natürlich bringe ich Zitrone.

Auch hier bringt Aufregung oder böse gucken absolut gar nichts. Viel lachen und einfach immer wieder bestellen bringt Entspannung und erklärt vielleicht auch, warum hier alles so viel kostet. Wegen der dreifachen Logistik eben.

Photo by Harsh Singh on Unsplash

Ach und dann war da noch das Krähen-Management. Krähen sind diese schwarzen Vögel, die – wenn in großen Gruppen – rein gar keine Manieren haben. Sie würden – wenn man sie lässt – alles plündern, was wir versuchen, draußen unter Palmen stilvoll zu essen. Da die Krähen hier gesetzlich geschützt sind, darf man sie nicht töten oder schädigen. (Eine sehr schöne Metapher für so manche kulturelle Hürde in Unternehmen… Ich sage nur: Betriebsrat)

Krähenmanagement bedeutet darum, das Leben der Krähen in der Nähe unserer Outdoor-Speiseräume möglichst unkomfortabel zu machen. Und das geht, indem paar kernige Kerle mit einem Falken unterwegs sind und diesen Falken ab und an loslassen. Der Falke – gesund ernährt und gut erzogen – verletzt ebenfalls nicht die Gesetze des Landes. Aber Krähen fühlen sich nun mal nicht wohl, wenn ein Falke über ihnen kreist, und so gehen sie ihr Mittagessen woanders suchen.

Alle sind entspannt, gelassen. Alle lächeln, und ich bestelle mir einen Tee mit Zitrone.

Wie sehen deine Reise-Erfahrungen aus?

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Da jede Reise auch eine Reise ins Innere ist, magst du vielleicht für die Zeit dazwischen einen Reiseführer in das Land des Besseren Du haben?

Titelphoto by David Rodrigo on Unsplash

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