Das zweite Jahr der vorwiegend technisch begleiteten Meetings und Workshops lässt mich nachdenklich werden: aus der Not haben wir nach und nach Tugend gemacht und uns teilweise im technischen Schnick-Schnack verirrt. So gern ich Neues lerne und hier über die neuen Tools und technischen Schnick-Schnack-Spielzeuge berichten würde, die ich vor Kurzem entdeckt habe, möchte ich heute den Fokus ganz woanders hin legen.
Weg mit Technik-Schnick-Schnack!
Wir sitzen oder stehen vor unseren Computern, wir sehen nur Bruchteile unserer Körpersprache, wir sind begrenzt auf den visuellen Wahrnehmung-Kanal, und dann kommt all die Arbeit mit der Maus. Klicken, schieben, Doppelkick… Tastatur und Monitor sind zu unseren erweiterten Körperteilen geworden.
Das beeinflusst das Denken und auch unsere emotionale Lage. Viele sind müde und trotz der ganzen Spielereien irgendwie gelangweilt. Es braucht immer mehr Effekte und Besonderheiten, um die Teilnehmer in einer Session bei der Stange zu halten.
Aus diesem Grund möchte ich heute 15 Ideen für deine Moderation mit dir teilen, bei denen du außer der Videokonferenz selbst nichts brauchst. Na gut, bei der einen Idee werden Maus und ggf. Tastatur benötigt. Nämlich bei der Nutzung des Moodmeters.
Moodmeter
In Zoom kannst du den Moodmeter im Screen-Sharing Modus durch die Teilnehmer kommentieren lassen. Haben die Teilnehmer sich für ein paar Stimmungen entschieden, fragst du, wer und warum in dieser Stimmung ist. In anderen Videokonferenz-Tools gibt es die Kommentieren-Funktion nicht, dort kannst du mit dem Chat arbeiten (ist dann nicht anonym, braucht also etwas mehr “safe space”).
Moodmeter eignet sich wunderbar am Anfang der Session, als Retrospektive nach einem Schritt im Workshop oder auch als Check Out. Ich habe früher die ausgedruckte Version in den Trainings/Workshops verteilt und so den Tag abgeschlossen. Je nach Gruppe kannst du die Teilnehmer auch darum bitten, zu beschreiben, wie es denen als Gruppe geht. Das so generierte Wir-Gefühl verbindet die Teilnehmer.
Wofür du das Wir-Gefühl brauchst? Ganz einfach: ein kürzlich entdecktes Zitat besagt:
Inhalt schwimmt auf Beziehungen.
irgendwo online gelesen
Und das bringt uns zu der nächsten Moderations-Idee…
Intuition in Paaren
In dem Facilitators Remote Café haben wir am 22. März 2021 unseren ersten Geburtstag gefeiert. Obwohl viele aus der Community of Practice sich regelmäßig in diesem montags-Format treffen, kennen wir einander nicht wirklich gut. Daher hat diese Paar-Übung vielen eine Freude bereitet. Ich moderiere sie in zwei Versionen: Zeichnen oder schreiben. Die Zeichen-Version verlangt, einander schweigen anzuschauen und zu zeichnen. Worte sind dabei nicht erlaubt. Anschließend zeigt man einander die Bilder und erzählt, was man in dem Partner sieht.
Die Wondercards bieten eine andere Version dieses Paar-Formats, die ebenfalls sowohl online als auch in Präsenz die sogenannten “deep conversations” erlaubt.
Denke bitte in Vorbereitung deiner Moderation, wie du die Überleitung aus diesem Moment einer Verbundenheit und Intimität zwischen den Teilnehmern zu dem nächsten Schritt machst. Oft macht es einen Sinn, nach der Übung zusätzlich Zeit zu nehmen, um darüber zu sprechen, wie die “normale” Alltagskommunikation von dieser Übung profitieren kann. Somit ist es viel mehr, als nur ein Warm Up oder Kennenlernen – ihr als Gruppe könnt viel tiefer in die Reflexion von Themen wie Kultur, Werte und Miteinander einsteigen. Wer mag, kann sogar bereits konkrete Aktionen ableiten.
Wart ihr auf diesem Weg ca. eine Stunde fokussiert und fleißig, ist es vielleicht Zeit für einen Energizer. Eins meiner Lieblinge – ganz ohne Schnick-Schnack – ist die …
Kissenschlacht
Stellt euch vor, wir sind zusammen in einem Raum und machen eine Kissenschlacht, jedoch in … Zeitlupe. Dabei Achtet man auf die Bewegungen um einen herum und reagiert darauf (zum Beispiel ausweichen oder “umfallen”, weil man von einem Kissen erwischt wurde).
Als eine Variante könnt ihr ein “Opfer” zum Beispiel den Moderator aussuchen, und alle bewerfen ihn mit … Rosenblättern, Federn, Luftballons – natürlich nicht mit echten, sondern mit imaginären.
Wandelt diesen kurzen Energizer gern in eurem Sinne um (wir haben uns einander schon mit Problemen und Lösungen beworfen und dann diskutiert, ob diese unterschiedlich schwer sind…).
#noagenda Rad
Handelt es sich bei der Session um eine Arbeitssitzung und nicht um einen Workshop, so könnt ihr die zu besprechenden Punkte in ein “Glücksrad” einfügen und dann das Tool entscheiden, was als nächstes besprochen wird. Lässt sich wunderbar mit den Regeln des Lean Coffee kombinieren!
Das Rad aus dem Titelbild dieses Beitrages macht übrigens sowohl Geräusche als auch Konfetti zum Schluss (genau, Schnick-Schnack!). Eignet sich auch gut, um auszuwählen, wer als nächstes für die Organisation des Team-Frühstücks zuständig ist (Namen einfügen, drehen, Konfetti!) oder was vom Team-Budget angeschafft wird (Entscheidungs-Hilfe). Kann man auch privat nutzen, wenn es um wer-putzt-heute oder die Filmauswahl geht.
Viel Spaß dabei!
Die anderen Formate werde ich gern nach und nach vorstellen.
PS: Sehr empfehlenswert für Freunde der guten Moderation ist die wöchentliche Facilitation Rundschau von Jacob Chromy.
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Enjoy!
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