Während unsere Welt sich aus dem Industriezeitalter verabschiedet und wir immer mehr zu Denkarbeitern werden, müssen wir Tag täglich neue Entscheidungen treffen. Ohne mit dem VUCA-Fähnchen zu wedeln, möchte ich kurz eine Brücke zwischen dem an jeder Ecke lauernden “Wir müssen agil werden” und dem Pragmatismus schlagen. Und manche Modelle sind sehr gut dafür geeignet, uns diese verwinkelte Denkaufgabe zu erleichtern.
Ich beschäftige mich viel mit dem Thema Entscheidungen. Heute schreibe ich ein paar Worte zu der sogenannten Stacey Matrix. Mal sehen, wem dieses Modell wann helfen kann, eine Entscheidung zu treffen. Drei Minuten Lesezeit. Versprochene Aha-Erkenntnisse, wenn du noch nie davon gehört hast.
Wo kommt die “Stacey Matrix” her?
Die Stacey Matrix wurde von dem Professor für Management an der Hertfordshire Business School in Großbritannien Ralph Douglas Stacey entwickelt. Sie hilft zu verstehen, warum manches Vorgehen in bestimmten Situationen ungeeignet ist. Im Projektkontext kann man sich mit Hilfe der Stacey Matrix entschieden, ob klassisches oder agiles Projektmanagement angemessen ist.
Stacey Matrix: horizontale und vertikale Achse
Die horizontale Achse der Stacey Matrix ist die Wie-Achse. Sie steht für den Weg, wie eine Aufgabe zu lösen oder eine Herausforderung zu meistern ist, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Typische Fragen zur Orientierung sind:
- Wie sicher sind wir, dass unser Plan zum gewünschten Ergebnis führen wird?
- Wie klar ist es uns, wie wir vorgehen wollen?
Je größer die WIE-Sicherheit, desto näher befindet sich der Punkt am Nullpunkt der Achse.
Die vertikale Achse ist die Was-Achse. Sie steht für die Klarheit über Ziele, die es zu erreichen gilt, und die Einigkeit über die Anforderungen, die die Problemlösung erfüllen muss. Mögliche Fragen zur Orientierung sind hier:
- Wie genau sind die Ziele und Anforderungen definiert?
- Wie einig sind sich die Stakeholder des Vorhabens? Wollen sie alle das selbe Ergebnis? Sind deren Erwartungen und Wünsche gut vereinbar?
Je mehr Sicherheit über die WAS-Einigkeit, desto näher befindet sich der Punkt am unteren Ende der Achse.
Bei einem Projekt oder Vorhaben können sowohl die Ziele und Anforderungen, die zu erreichen bzw. zu erfüllen sind, als auch der bestmögliche Weg hierzu mehr oder weniger klar oder unklar sein.
Vier verschiedene Entscheidungssituationen
Einfache Entscheidungssituation: Der Stacey Matrix zufolge sind (Management-)Entscheidungen in der “einfachen” Domäne eher rational und technisch, wenn außer dem Ziel und den Lösungsanforderungen auch der Weg dorthin klar ist – zum Beispiel, weil das Unternehmen schon viel Routine im Lösen entsprechender Aufgaben hat. Hier kann man mit Best Practice, Routinen und optimierten Lean Prozessen arbeiten.
In der Sprache des Cynefin-Modells: Anschauen, einordnen, reagieren.
Komplizierte Entscheidungssituation: Sind jedoch das Was und/oder das Wie teilweise unklar, dann wird es kompliziert. Das Schwierige hierbei ist, dass das deutsche Wort “kompliziert” zum Teil die nächste Entschidungssituation – komplex – mit einschließt. In dem Wiktionary finden wir folgende Beschreibung:
Objektiv ist etwas kompliziert, wenn es eine unnötig hohe Komplexität bzw. Vielschichtigkeit aufweist. Subjektiv erscheint etwas als kompliziert, wenn man nicht über das Wissen, das Können, die Intelligenz oder die Bereitschaft verfügt, es zu verstehen oder zu beherrschen. Daher ist Kompliziertheit immer negativ konnotiert. Diese Konnotation wird im Sprachgebrauch meist durch zusätzlich abwertende, rein deutsche Worte markiert: “zu kompliziert”, “ziemlich kompliziert”.
Bei der fett + kursiv markierten Definition verbleibend, hilft das Cynefin Modell und sagt, man soll isich in der komplizierten Situation für folgendes Vorgehen entscheiden: Anschauen, analysieren, reagieren. Die Entscheidungen werden demnach eher politisch getroffen oder (be)wertend, z.B. über eine Abstimmung oder einen Mehrheitsentscheid.
Die dritte Entscheidungssituation
Wir hatten früher mal einen Spruch: Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man ‘nen Arbeitskreis. Was ironisch gemeint war, macht in der heutigen Zeit durchaus Sinn, vor allem, wenn es sich bei der Situation, in der man nicht mehr weiter weiß, um eine komplexe Situation handelt.
Sind neben den Zielen und/oder Lösungsanforderungen auch der Weg dorthin sehr unklar ist – zum Beispiel, weil die Herausforderung neu ist und das Unternehmen noch keine Erfahrung mit dem Lösen vergleichbarer Aufgaben gesammelt hat, also Neuland betritt? Dann ist die Entscheidungsfindung komplex, und es empfiehlt sich folgendes Vorgehen: probieren, anschauen, reagieren, erneut probieren, anschauen, reagieren usw. – also in iterativen Schleifen arbeiten, um sich allmählich dem Ziel, das oft noch nicht definitiv feststeht, zu nähern. Im Alltag spricht man hier schnell von Agilität, ich bin mir jedoch sicher, dass es andere Begriffe dafür gibt, z.B. in der Forschung und Entwicklung. Dieses komplexe Handeln und die damit verbundene Emergenz sind für viele schwer zu ertragen, weil wir als Mensch eher dazu tendieren, schnell eine Lösung zu sehen/parat zu haben.
Was, wenn nichts klar ist und wir uns weit von einer Einigung befinden? In der oberen Ecke der Grafik steht: Entscheidung wird vermieden. Zum Beispiel weil das Unternehmen zwar weiß „Wir müssen uns für die Zukunft wappnen“, jedoch weder eine Einigkeit über das WAS noch eine Sicherheit über das WIE hat. Es ist klar, dass etwas getan werden muss, aber es gibt keinerlei Orientierungshilfen oder Struktur. Pures (chaotisches) “Durchwurschteln” ist angesagt in der Hoffnung, dass es gut geht. Handeln, wahrnehmen, reagieren – sagt das Cynefin Modell dazu.
Hilfreich?
Das Cynefin Modell und die Stacey Matrix sind in der Kombination hilfreiche Instrumente, um zu sehen, wie und warum Entscheidungen getroffen werden. Du kannst die Grafik auch nutzen, um zu sehen, wie die Einschätzung des Teams darüber ist, was klar oder sicher ist. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen.
- Hat man sich in der Teamdiskussion erstmal auf die Positionierung des Vorgehens geeinigt, geht es in dem zweiten Schritt darum, die geeignete Vorgehensweise (oft: Projektmanagement-Methode) auszuwählen.
- Für einfache und komplizierte Situationen ist das “klassische” Projektmanagement eine gute Wahl.
- Für komplexe Situationen sollte man sich aus der agilen Kiste bedienen.
- Und bei Chaos, nun, ganz ehrlich? Da lohnt es sich manchmal, einfach eine Tasse Tee zu trinken und abzuwarten, bis zumindest etwas klarer wird.
;-)
Ich bedanke mich beim Over the Fence Team für die wunderbare Klarstellung zur Stacey Matrix!
Die Stacey Matrix ist übrigens Teil der Wondercards und zusammen mit über 40 weiteren Karten immer ein Ass in deinem Berater-Ärmel!
Andere Artikel zum Thema Moderation:
Wie Räume Einfluss auf Ergebnisse haben
Warum wir öfter im Stehen arbeiten sollten
Enjoy!
0 Comments