Neujahrsvorsätze werden in der heutigen Zeit gern verpönt und verteufelt, dabei sind sie eigentlich – nach wie vor – ganz zauberhaft. Wie ich zu dieser Erkenntnis im Jahr 2022 komme, das beschreibe ich gern hier.
Kopf-Ziele
Als ich nach Deutschland kam (das war 1992), habe ich sehr schnell gelernt, dass die Deutschen gerne planen. Und dass es dafür allerhand Werkzeuge und Hilfsmittel gibt. Jahresplaner, To Do Listen, Planungsmeetings ohne Ende, und dann kam auch schon das erste Mal die Sylvester-Frage, was ich mir für das nächste Jahr vornehme.
Ach so geht das, dachte die junge Nadja damals. Man wünscht sich was und erzählt es allen, und dann kann es einfach so zu mir kommen… Also habe ich natürlich – wie es üblich ist – mir alles mögliche vorgenommen, für Erfolg, Glück und Gesundheit. Mit und ohne Bleigießen und andere Sylvester-Bräuche.
Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht daran erinnern, wie viele meiner Vorsätze erfüllt wurden, das mag daran liegen, dass ich mir die Wünsche nicht wirklich vom Herzen her gedacht habe, sondern mehr aus der kognitiven Logik.
Herz-Ziele
Das Leben ist ein Zebra (ich mag diese Metapher sehr), und so kam in meinem Leben ein relativ schwarzer Streifen, in dem – und daran kann ich mich ganz gut erinnern – keiner meiner Wünsche oder Vorhaben in Erfüllung ging. Nichts wurde besser, ich war oft krank, unzufrieden bis unglücklich, gestresst… Kurz: eine ganze Palette von allem, w as man nicht haben mag.
Wenn ich aus der heutigen Perspektive die Frage “Warum?” stelle, dann weiß ich, dass ich mit Sicherheit Einfluss darauf hatte, wie mein Leben war. Wir haben nämlich immer eine Einfluss darauf. Und wir vergessen das regelmäßig. Meine Neujahrsvorsätze in dieser Zebra-Zeit waren zwar aus dem Herzen kommend, aber ihnen fehlte das Vertrauen, dass ich es wert bin, zufrieden, gesund und glücklich zu sein, und ohne Vertrauen kommen wir nicht weit.
Willensziele (und Theory U)
Der wunderbare Otto Scharmer visualisiert in seiner Theory U einen U-Bogen mit mehreren Ebenen, und die Ebenen haben so etwas wie eine Voraussetzung, um ihnen zu begegnen. Mir ist dieses Denk-Format (ich weiß nicht, ob das Wort Modell passend ist) erst beim Schreiben in den Sinn gekommen, weil ich nach und nach über mein Leben und das Transformieren meiner Neujahrsvorsätze nachgedacht habe. Die übliche Abbildung dazu (findest du mit Leichtigkeit im Internet) ist für meinen Artikel hier eher verwirrend, daher bleibe ich bei den Worten.
Otto Scharmer spricht davon, dass wir die Veränderungen, die wir uns wünschen, von der Zukunft her denken sollen. In der Mitte des Kreativ-Prozesses dazu gibt es so was wie ein Nadelöhr, und um dahin zu kommen, soll man drei Schwellen überwinden. Die erste Ebene braucht einen “Open Mind”, um weiter zu kommen. Innehalten, das Denken öffnen und neue Gedanken zulassen (dazu passt auch das erste Kapitel “Anhalten” in unserem neuen Buch “Am Leben vorbei“). Weiter geht es, und es braucht ein “Open Heart” – das Neue sehen, sich umwenden, bereit sein. Und dann, als letzte Stufe vor dem Nadelöhr geht es um “Open Will” mit einer für uns nicht leichten Aufgabe, dem Loslassen.
Kommt man mit dem offenen Denken, offenen Herzen und offenen Willen in die magische Mitte des Prozesses, kann man seine Zukunft – und zwar die, die sich entfalten möchte – fühlen und wahrnehmen (“Presencing“).
Und das ist der Nadja dann nach vielen enttäuschenden Jahren mit den enttäuschenden Neujahrsvorsätzen passiert, nachdem sie sehr viel losgelassen hat. Kündigung und Scheidung, Umzug und eine berufliche Selbständigkeit ohne Sicherheitsnetz.
Soll man die Neujahrsvorsätze verfluchen?
Dann kamen ein paar Jahre, in denen es plötzlich uncool war, sich etwas vorzunehmen, es sei zu viel, zu unrealistisch und überhaupt, sich selbst zu perfektionieren, wäre unmenschlich. Das war dann auch die Zeit, in der ich ein Buch dazu geschrieben habe, wie man – trotz des berühmten inneren Schweinehundes – zu seinen Zielen und zu einem Besseren Ich kommt.
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Um mich herum wurde sich also ein paar Jahre nichts vorgenommen. Ich dagegen habe regelmäßig Yoga gemacht, bin mit meinen Kindern in schöne fremde Länder gereist, habe meine Selbständigkeit auf stabilere Beine gestellt und immer mehr unnötige Dinge in meinem Leben losgelassen.
Nordstern-Ziele
Heute nehme ich mir keine konkret messbaren Dinge mehr vor. Also weder Umsatz-Ziele noch Reise-Ziele noch etwas, was ich irgendwann – an einem Tag im Jahr abhaken kann. Ich habe auch keine Bucket List mehr, wie früher.
Stattdessen habe ich einen Nordstern – also etwas, was mir jeden Tag Orientierung gibt, wenn ich mich entscheiden möchte. Ich möchte zum Beispiel in 2022 so oft wie möglich gesund sein, um einen Handstand zu üben. Damit nehme ich mir den Druck, eines Tages den Handstand zu können, und dennoch habe ich jeden Morgen eine Motivation, auf die Yogamatte zu gehen, mich gesund zu ernähren, mich viel zu bewegen und für genug Schlaf zu sorgen. Ich weiß, sehr schlau.
Ich bin gespannt, ob mir der Nordstern eine Hilfe sein wird. Ich finde ihn nämlich ganz und gar zauberhaft, und damit auch das ganze Thema Neujahrsvorsätze. Was immer uns in diesem Jahr passiert – und wir haben ja schon zwei unplanbare Jahre hinter uns – ich habe einen großen Einfluss darauf, wie mein tägliches Leben aussehen wird.
Und darüber freue ich mich sehr.
Worauf und worüber freust du dich in diesem Jahr?
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Viel Spaß beim Lesen!
Wunderbarer Text, liebe Nadja. :-) … regt sehr zum Nachdenken an.
danke für deine Rückmeldung Per!