Was Wahlen in Hamburg mit guter Moderation zu tun haben

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Gestern waren Wahlen in Hamburg. Es ist für mich erst seit ein paar Jahren ein relevantes Ereignis – seit mein Sohn sich für Politik interessiert und mit mir lange Gespräche darüber führt. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, denn es eröffnete mir eine neue Seite in mir: Ich bin der Bürger einer Gemeinschaft, nicht nur eines Landes.

Als jemand, der mit Menschen arbeitet, ist Politik für mich eine hochspannende Sache. Es geht um Macht, um Vertrauen, um Emotionen – obwohl es angeblich eher um Kindergärten, Renten und Fahrräder geht.

Eisberg-Modell

Petranovskaja Wahlen Moderation Eisberg Modell
Eisberg-Modell

Was haben nun Wahlen in Hamburg mit guter Moderation zu tun?

Schauen wir erstmal auf die Wahlbeteiligung. Wie gesagt, vor ein paar Jahren noch gehörte ich selbst stets zu der Gruppe der Leute, die nicht zu Wahlen geht. Es war mir egal, ob meine Stimme zählt und ich hatte kein Vertrauen in die Aussage, dass ich damit etwas verändern kann, diese meine Stimme abzugeben.

Wahlen im Workshop

In der Moderation bieten wir unsere Teilnehmer regelmäßig, Entscheidungen zu treffen. Entweder für einen Lösungsweg oder für die Kleingruppe, in der sie in der nächsten Stunden arbeiten. Können wir uns da eine 59% Wahlbeteiligung vorstellen?

Wohl kaum.

Auf unseren Modekations-Wegen erreichen wir es, dass es nur in Ausnahmefällen jemanden gibt, der nicht mitmachen möchte.

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Was hat nun Moderation mit Wahlen zu tun?

Ich lese gerade ein spannendes Buch. Ähnlich wie die Antifragilität von NIcolas Taleb, denkt der Autor Daniel Christian Wahl in die Richtung, in der Organisationen, Gemeinschaften und Kulturen nicht einfach nur überleben, sondern aus jeder und durch jede Krise wachsen und sich entwickeln.

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Das ist ein ganz normaler Ablauf einer Moderation. Wir starten mit den Teilnehmern im Hier-und-Jetzt, wir eröffnen die Arbets-Räume der Gruppe durch divergentes Fragen und Denken und manchmal muss die Gruppe dann auf dem Weg zum Ziel eine Krise überwinden.

Die Wahlen haben eine ähnliche Ablauf-Struktur. Wir starten aus dem Jetzt, wir richten uns auf die (Wunsch-)Zukunft aus, wir laufen ein Stück und dann kommen wir durch den Prozess der Stimmen-Abgabe zu einer neuer (vorübergehenden) Balance. Die Zusammensetzung der jeweiligen politischen Struktur muss sich dann wiederum treffen, sich aufeinander einlassen, gemeinsame Arbeitsthemen festlegen und durch einen Prozess der Krisenbewältigung zu den Ergebnissen gelangen.

Und das ist ein wiederkehrender Prozess.

Es gibt “die” (die Politiker), es gibt “uns” (die Wähler) und es gibt das Eisberg unserer Hoffnungen, Bedürfnisse, Wünsche und Emotionen.

Wie würde ein moderierter Wahl-Prozess aussehen?

Was kann eine professionelle Moderation dazu beitragen, dass die Wahlen in der Gesellschaft so ähnlich verlaufen wie Wahlen/Entscheiden in einem Workshop?

Petranovskaja Wahlen Moderation Punktabfrage

Gewiss, es gibt gesetzliche Restriktionen. Wir können nicht mit einer Punktabfrage arbeiten und vermutlich auch nicht mit Mentimeter.

Wir haben auch andere Restriktionen. Zum Beispiel, dass wir nicht alle zusammen in einem physischen Raum sind. Dass wir uns nicht vorher durch Icebreaker und andere Übungen bereits miteinander verbunden fühlen. Dass wir nicht wissen, was andere denken. Dass wir verschiedene Erwartungen haben. (Diese Liste ist beliebig fortzusetzen).

Na und?

Moderation als Haltung vermittelt so viele Möglichkeiten, auch eine große Gruppe die Verbundenheit spüren zu lassen. Durch die inhaltliche Distanz und die Verpflichtung, der Gruppe behilflich zu sein, kann Moderation (erstmal nicht in Form einer Person sondern als Technik/Methode) viel bewegen und bewirken.

Durch gute Fragen. Durch das sichtbar machen der ersten Antworten. Durch die Bemühhung, den Raum für alle sicher zu machen. Durch die Offenheit des Prozesses. Durch das Eingehen auf die Bedürfnisse und Emotionen und viele anderen “Unterwasser”-Themen. (Diese Liste ist beliebig fortzusetzen).

Was würdest du tun, wenn du eingeladen wärest, die Wahlen zu moderieren?

petranovskaja Unterschrift signatur

PS: Wahlen haben einiges mit dem Thema Entscheiden zu tun. Dass ich mich mit diesem Thema seit längerem beschäftige, weißt du sicher aus den Blogbeiträgen hier und hier und vielleicht auch aus den Webinaren dazu.

Was du noch nicht weißt: Ich schreibe mit Tobias Leisang an einem Buch dazu, und dieses kannst du jetzt bereits vorbestellen.

2 Comments

  1. Leider hat das demokratische Abstimmen (jeder hat eine Stimme und ich muss mich entscheiden für das eine oder das andere) immer auch etwas Trennendes. Dabei führen immer mehrere Wege zum Ziel.

    Wenn ich die Lösungswege sammle kann es einen Unterschied machen, den Widerstand zu den jeweiligen Lösungsvorschlägen jeder Person einzuholen und wähle die Lösungsmöglichkeit, die in Summe am wenigsten Widerstand erzeugt.

    Sie Methode nennt sich Systemisches Konsensieren und baut darauf über das Abholen der Widerstände Akzeptanz zu erzeugen.

    “Entscheidungen, die mit der Methode Systemisches Konsensieren getroffen werden, erzeugen hohe Zufriedenheit in der Gruppe und bewirken, dass Lösungen von allen Beteiligten mitgetragen werden.” heißt es auf der Seite https://www.sk-prinzip.eu/

    Reply
    • Hallo Roland, vielen Dank, dass du das Systemishe Konsentieren ins Spiel bringst! Das ist eine der Methoden, die im Handbuch der Entscheidungen erklärt wird :-)
      (https://leanpub.com/HandbuchDerEntscheidungen)

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