Etwas Poesie für Gelassenheit im Alltag

petranovskaja poesie

Poesie ist ein Geschenk, das nur uns, in Worten denkenden Wesen als Genuss möglich ist. Während andere Wesen (Tiere, Bäume) auch Musik hören und genießen können, ist es oft die Kraft der Worte, die mich persönlich zutiefst bewegt. Bis hin zu Gänsehaut.

In Russland geboren, war ich von Poesie umgeben. Puschkin lebte in meiner Heimatstadt und seine Werke mussten wir teilweise seitenlang auswendig lernen.

1992 bin ich dann ins Land der Dichter und Denker umgezogen, und auch hier habe ich viel Freude mit den wunderbaren, sich reimenden Zeilen.

Mein Vater hat mir Haiku (traditionelle japanische Gedichtform) schmackhaft gemacht. Manchmal dichten wir einfach so hin und her, statt uns Prosa zu schreiben.

Mit der Besserung meiner Englischkenntnisse wurde mir auch die Welt der englischen Gedichte offenbart. Was für eine Schatzkiste! Heute möchte ich eine spontane Entdeckung hier in meinem Blog verewigen, um selbst ab und an vorbei zu kommen und mich satt zu lesen an den ermutigenden wie weisen Zeilen von Rudyard Kipling. Laut WIkipedia geht es im Gedicht um Gelassenheit als Tugend. Für mich geht es hier auch um Mut, sich selbst treu sein, wahrnehmen, achtsam sein, verbunden mit anderen Menschen.

Weiter unten findest du eine Übersetzung ins Deutsche.

Schön, dass du hier bist.

IF

If you can keep your head when all about you
Are losing theirs and blaming it on you,
If you can trust yourself when all men doubt you,
But make allowance for their doubting too;
If you can wait and not be tired by waiting,
Or being lied about, don’t deal in lies,
Or being hated, don’t give way to hating,
And yet don’t look too good, nor talk too wise:

If you can dream – and not make dreams your master,
If you can think – and not make thoughts your aim;
If you can meet with Triumph and Disaster
And treat those two impostors just the same;
If you can bear to hear the truth you’ve spoken
Twisted by knaves to make a trap for fools,
Or watch the things you gave your life to, broken,
And stoop and build ’em up with worn-out tools:

If you can make one heap of all your winnings
And risk it all on one turn of pitch-and-toss,
And lose, and start again at your beginnings
And never breathe a word about your loss;
If you can force your heart and nerve and sinew
To serve your turn long after they are gone,
And so hold on when there is nothing in you
Except the Will which says to them: “Hold on!”

If you can talk with crowds and keep your virtue,
Or walk with kings – nor lose the common touch,
If neither foes nor loving friends can hurt you,
If all men count with you, but none too much;
If you can fill the unforgiving minute
With sixty seconds’ worth of distance run,
Yours is the Earth and everything that’s in it,
And – which is more – you’ll be a Man, my son!

1895

WENN

Wenn du den Kopf bewahrst, da rings die Massen
längst kopflos sind und geben Dir die Schuld,
dir treu sein kannst, wenn alle dich verlassen,
und siehst ihr Zweifeln dennoch mit Geduld;
kannst warten du und langes Warten tragen,
läßt dich mit Lügnern nie auf Lügen ein,
kannst du dem Hasser deinen Hass versagen
und doch dem Unrecht unversöhnlich sein &ndash

Wenn du kannst träumen, doch kein Träumer werden,
nachdenken und gleichwohl kein Grübler sein;
wenn dich Triumph und Sturz nicht mehr gefährden,
weil beide du als Schwindler kennst, als Schein;
kannst du die Wahrheit sehn, die du gesprochen,
verdreht zum Köder für den Pöbelhauf,
siehst du als Greis dein Lebenswerk zerbrochen
und baust mit letzter Kraft es wieder auf –

Wenn du auf EINES Loses Wurf kannst wagen
die Summe dessen, was du je gewannst,
es ganz verlieren und nicht darum klagen,
nur wortlos ganz von vorn beginnen kannst;
wenn du, ob Herz und Sehne längst erkaltet,
sie doch zu deinem Dienst zu zwingen weißt
und durchhältst, auch wenn nichts mehr in dir waltet
als nur dein Wille, der “durchhalten!” heißt –

Kannst du zum Volke ohne Plumpheit sprechen,
und im Verkehr mit Großen bleibst du schlicht;
läßt du dich nicht von Freund noch Feind bestechen,
schätzt du den Menschen, überschätzt ihn nicht;
füllst jede unerbittliche Minute
mit sechzig sinnvollen Sekunden an:
Dein ist die Erde dann mit allem Gute,
und was noch mehr, mein Sohn: Du bist ein Mann!

(Übersetzung von Lothar Sauer)

Was ist Poesie für dich?

petranovskaja Unterschrift signatur

Photo by S O C I A L . C U T on Unsplash

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