Weniger arbeiten, weniger konsumieren, mehr Zeit miteinander verbringen

Wir Menschen haben viele Ängste. Unsere Ur-Ängste sind zwei: Dass wir sterben und dass wir verhungern. Damit lässt sich ein großer Teil unseres Verhaltens erklären. Angst vor einer Prüfung oder Angst, vor großen Gruppen zu sprechen, das ist modernes Zeug. Genauso wie die Angst, etwas zu verpassen und Verlierer zu sein.

Manuel Dingemann hat diese Angst nicht. Er lebt aus Überzeugung nachhaltig und er lebt es auch vor. Weil mich das in hohem Maße neugierig gemacht hat, und weil das so einen Kontrast zu den Managern und Politikern bildet, die über Nachhaltigkeit reden, habe ich mich mit Manuel getroffen und ihm ein paar Fragen gestellt.

Was ist in deinem Leben geschehen, als du dich entschieden hast, nachhaltig zu leben?

Manuel: Ich war 2010 auf einem Workshop, in dem ich von erfahrenen Leuten viel über den Zusammenhang unseres Handelns mit dem Klimawandel erfahren habe. 60% der Menschen wissen leider immer noch nicht, was Nachhaltigkeit bedeutet oder woraus sie sich zusammen setzt. In dem Workshop haben wir verschiedene Szenarien gebildet und so ein höheres Bewusstsein darüber erlangt, wie viel Verantwortung für die Zukunftsgeneration in unserer Hand liegt. Außerdem haben wir über Effizienz und bewussten Genuss von dem, was da ist, gesprochen, und natürlich auch vom bewussten Konsumieren. Bewusstes Konsumieren funktioniert einfach: Schaue, was da ist. Welche Menschen umgeben mich? Welche Kompetenzen dieser Menschen kann ich nutzen? Vielleicht brauche ich gar nicht einen schnelleren PC, sondern einen guten Rat.

Hast du ein Bild von der Zukunft, in der du leben möchtest?

Manuel: Ja. Wir arbeiten alle weniger, konsumieren weniger und verbringen mehr Zeit miteinander. Klingt simpel, dennoch glauben viele, es ist nicht sofort umsetzbar. Aber jeder kann damit anfangen. Denn eine Sache kann man sich nicht mit Geld kaufen: Zeit. In der Zeit, die ich gewinne, weil ich weniger arbeite, kann ich langlebigere und nachhaltigere Produkte entdecken. Wer bewusst konsumiert und sich damit auseinander setzt, was ein gutes Produkt ausmacht, der ist viel eher bereit, Geld dafür auszugeben. Langfristig ist das übrigens günstiger. Eine LED-Lampe sieht im Laden teurer aus. Nach drei Jahren hab ich das Geld aber wieder raus und dann hält sie noch 20 Jahre. Außerdem kann man sich in der gewonnenen Zeit Fähigkeiten aneignen, lernen – zum Beispiel, wie du autarker werden kannst, indem du Sachen reparierst oder selbst herstellst. Hier kannst du viel Geld sparen und bekommst eine Bestätigung deiner Kompetenz.

Zukunftsbild: Wir arbeiten weniger, konsumieren weniger und verbringen viel Zeit miteinander

Was brauchen wir, damit mehr Menschen einen nachhaltigen Lebensstil für sich wählen?

Manuel: Gutes Design und Erlebnisse, die den Lebensstil anfassbar machen. Gute Nachrichten und best practice Beispiele, die als Vorbild gelten können. Außerdem brauchen wir Helden und mutige Gründer, die Nachhaltigkeit vorleben.

Welche Frage kann sich jeder von uns stellen, um sich für Nachhaltigkeit zu entscheiden?

ManuelWorauf verzichte ich? Worauf verzichte ich, wenn ich Auto statt Fahrrad fahre? Worauf verzichte ich, wenn ich mich für Karriere entscheide? Worauf verzichte ich, wenn ich einen Transatlantik-Flug antrete statt an den See in der Nähe meiner Stadt zu fahren? Was erlebe ich dann nicht?

Manuel Dingemann lebt und arbeitet in Hamburg. Seine Marketing-Agentur berät nachhaltige Unternehmen bei deren Auftritt im Internet und ist bekannt für hochqualitative Video-ProduktionKurz vor unserem Gespräch hat Manuel einen Wäscheständer repariert, statt einen zu kaufen, und das Gespräch selbst fand in der wohl nachhaltigsten Kaffeerösterei Hamburgs statt, in der sogar die Verpackung für die Kaffeebohnen biologisch abbaubar ist.

Und ganz im Sinne des Artikel-Titels, mache ich heute pünktlich um vier Feierabend und treffe mich mit Freunden. Zusammen lachen, Sonne genießen, entspannen.

Machst du mit?

petranovskaja_signatur

P.S. Dieser Blogbeitrag nimmt teil an der Blogparade hier: http://www.fuereinebesserewelt.info/glaube-hoffnung-zuversicht/

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2 Comments

  1. Hallo Nadja!

    Danke für die Vorstellung des Interviews, ich bin ganz auf eurer Wellenlänge. Ich habe auch den Ausstieg aus der Konsumgesellschaft geschafft, und bin jetzt ein viel gelassenerer und zufriedenerer Mensch. Manchmal muss man einfach lernen, los zu lassen. Loslassen, von den Konsumgütern. Loslassen, von den Glaubensvorstellungen der Gesellschaft. Loslassen vom Drang, alles und nur das Beste besitzen zu wollen. Loslassen vom Ehrgeiz und Neid, der einem immer mehr und länger arbeiten lässt. Und dadurch Lebenszeit stiehlt, die man eigentlich viel besser nutzen könnte.
    Der erste Schritt ist, innehalten und sich vom Hamsterrad des Alltags zu befreien. Die eigenen Vorstellungen und Handlungen überdenken. Darauf kann man dann aufbauen, und eine völlig neue Richtung einschlagen.

    Reply
    • Loslassen ist ein schönes Stichwort! danke dir, Hannah!

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