Staudiplom

Hinter dem niedrigen Zaun der Mittelplanke brummen Motoren, da steht repräsentativer Querschnitt verschiedenster Automarken, klein und groß, teuer neu und günstig uralt sind gleichberechtigt, dürfen ganz nah beieinander kuscheln, wie bökende Schäfchen wirken sie, wenn ich mit meinen 140 kmh dran vorbeihusche.

27 km Stau, die Schadensfreude oder Sensationsgeilheit, irgendsowas schwingt in der Stimme des Radiomoderators mit. Klar, ich würde auch lieber mit Rad zur Arbeit fahren. Geht aber nicht, bei mir stehen 182 km täglich auf dem Programm, durch 3 Bundesländer und an 5 häßlichen Baustellen vorbei. Eine letzte hab ich jetzt noch vor mir, da ist er auch schon, mein Stau, ich stelle mich artig an und spiele Staulotto: lohnt es sich, die Spur zu wechseln? komme ich vor dem Angeber neben mir ins Ziel? läßt der LKW Fahrer mich rein?

Das sind Ablenkungsmanöver, ein bescheidener Versuch, irgendwie die Zeit zu füllen… Im Grunde will ich nur eins: hier endlich raus. Raus aus dem Stau, raus aus dem Auto, hin zu meiner Familie und meinem Wochenende. Lasst mich durch, lasst mich endlich hier ruas, ich habe fertig, ich muss niemandem etwas beweisen, ich habe meine Norm am Im-Stau-Stehen längst übererfüllt, gibt mir endlich mein Staudiplom und lasst mich in Ruhe.

puh.

6 Comments

  1. summa cum laude.

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  2. Das Gefühl kenne ich nur zu gut. Jeden Tag im Schnitt 3 Stunden im Auto, im Stau. Ich weiss, wovon du sprichst. Es gab Tage, da habe ich wirklich und allen Ernstes den Gedanken gehabt “Ich drehe jetzt den Schlüssel um, ziehe ihn ab, steige aus und gehe. Ich gehe einfach. Ich will nur noch hier weg. Einfach weg.”
    Getan habe ich es dann doch irgendwie nie. Warum auch immer. Vielleicht hätte ich es einfach mal machen sollen.

    Was für mich wenigstens ab und zu funktioniert hat : Drive-by-shootings und Hörbücher. Wie du schon sagst, die Zeit füllen. Ablenkung. Diese beiden Dinge haben mich im Stau nicht durchdrehen oder Schlägereien anfangen lassen, auch wenn ich durchaus öfter kurz davor war :)

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  3. Schlägereien hatte ich noch nicht im Sinn. Vermutlich fehlte entsprechender Vertreter des Baustellenministeriums…

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  4. Das hört sich so richtig scheiße an. Du hast mein vollstes Mitleid. Da ich seit 2 Wochen wieder weiß, was es heißt mit Spaß zur Arbeit zu fahren – mit Sonne, Kühen, Pferden, Gras und feinen Gerüchen – kann ich das um so mehr nachvollziehen. Ich wünsche dir viele staufreie Tage und gute Hörbucher, wahlweise Musik. Was macht man nicht alles für den Job. Ist doch bekloppt, irgendwie, oder?

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  5. nein, nicht bekloppt. ich liebe meine Arbeit, dafür mache ich auch solch verrückte Dinge wie zweimaldiewoche fliegen oder zehnmaldiewoche im Stau stehen….. ;-)

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  6. soso, dein autochen schafft 140.
    so schnell bin seit jahren nicht mehr gefahren.
    naja, wenigstenst nicht oft.
    ich leiste mir da gelassenheit.
    bab. tempo pendelt sich meist so bei 120 ein.
    mit dem lkw sowieso bei 80.

    ich mag meinen beruf nicht sonderlich. im stau schon gar nicht.

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