16/49: Warum ich in Barcelona nackt baden war

petranovskaja barcelona baden

Liebes Online-Tagebuch,

ich führe ein recht unkonventionelles Leben, dessen bin ich mir an den wenigsten Tagen bewusst. Erst wenn ich die Reaktionen anderer Menschen auf meine Erlebnisse sehe, muss ich zugeben, dass viele Ereignisse, die mir normal erscheinen, für den Großteil der anderen Menschen ganz außergewöhnlich sein müssen.

Am Ende meiner dreiwöchigen Reise lande ich in Barcelona. Und Barcelona, das spüre ich vom allerersten Lufthauch außerhalb des Flughafens, ist eine perfekte Stadt für mich. Es ist warm, jedoch nicht zu warm. Es ist europäisch und dennoch exotisch. Es ist eine große Stadt und gleichzeitig eine sehr gemütliche Ecke Europas.

Mein Fahrer holt mich mit einem Schild ab, wir cruisen durch den Nachmittag, es ist noch keine Rush Hour, und mein Hotel entpuppt sich als eine Etage in einem perfekten Barcelonahaus: wunderschön, saniert, mittendrin. Ich liebe einfach alles an meiner Unterkunft vom allerersten Moment an. Das Licht, den Duft der spanischen Putzmittel, den spanischen Akzent der Rezeptionistin, die mir stolz die gemeinsame Küche zeigt mit meinem eigenen Kühlschrankfach und einer bezaubernden Leseecke mit ganz vielen Kissen. Es wäre ein Leichtes, hier für mehrere Wochen zu bleiben.

Von meinem Balkon schaue ich auf die Stadt. Kleine Menschen laufen da und kleine Autos fahren vorbei. Ich fühle mich königlich. Und ich habe zu tun. Ich arbeite nämlich unterwegs, und heute Nachmittag sind zwei Online-Termine angesetzt. Und dann noch ein Kundentermin mit Tapas. Es ist einfach grandios, Kunden an solch exotischen Orten der Welt zu haben.

Der Strand

Ja, der Strand ist an sich nie weit entfernt. Aber die Arbeit ruft, und auch am nächsten Tag steht zuerst die Arbeit an. Wir sind in einem ganz besonderen Teil Barcelonas, wo viele Startups sitzen und alte Fabrikgebäude umgestaltet sind für Arbeiten und Wohnen. Es erinnert mich sehr an Hamburg. Aus der Mittagslocation kann ich das Meer schon fast hören. Und komme was wolle, sobald wir hier mit den Entscheidungen und Lösungen fertig sind, gehe ich hin.

Gesagt, getan. Es ist 15 Uhr, meine Schritte werden immer schneller. Auch wenn ich in den letzten Tagen bereits in der Türkei und in Tel Aviv am Meer war, ist das hier irgendwie anders. Ich laufe so schnell ich kann, und endlich bin ich da. Am Meer. Die Sonne strahlt, die Wellen rauschen, laues Windchen. Und ich laufe einfach geradeaus, den kürzesten Weg zum Wasser und setze mich begeistert so nah wie möglich ans Wasser. Ich bin da, liebes Meer.

Schade nur, dass ich das nicht vorher eingeplant habe und nichts für einen Strandbesuch dabei habe. Die fleißigen Strandverkäufer wissen das und verkaufen Pareos, Getränke und Snacks. Nein, danke, ich will einfach nur hier sitzen.

Als meine innere Unruhe sich etwas legt, fängt mein Auge an zu wandern. Es sind ja auch andere Menschen da. Und … huch, die meisten von ihnen sind nackt. Meine Güte, ich bin an dem Nudisten-Strandabschnitt gelandet!

Aufstehen oder liegen bleiben?

Ja, die Entscheidungen, daraus besteht das ganze Leben. Soll ich jetzt aufstehen und nach links oder rechts laufen, bis ich wieder angezogene Menschen sehe? Oder so tun, als wäre das voll meine Absicht, mich zwischen räkelnden Nackedeis hingesetzt zu haben?

Ich entscheide mich dafür, unkonventionell zu sein. Ich sitze hier und bleibe hier sitzen. Zum Glück habe ich auch eine Flasche Wasser und habe wirklich keinen Grund, in der nächsten Stunde aufzustehen.

Und ja, ich lege mich einfach hin, schließe meine Augen und genieße. Ich darf das.

Und es wird immer wärmer. Das hat die spanische Sonne so an sich, dass es ab 16 Uhr erst richtig warm wird. Und ich habe ein schwarzes T-Shirt an.

Ja, der Rest der Geschichte ist eine logische Fortsetzung. Wenn ich schon an einem Ort gelandet bin, wo es normal ist, ohne Kleidung zu sein und zu baden, dann mache ich das eben auch. Mein erstes Mal. Also in der Öffentlichkeit.

Die Feuerqualle

Und ja, das Wasser ist genau so herrlich wie es aussieht. Und ja, ich werde von einer kleinen Feuerqualle geküsst, die danach ganz unschuldig neben mir schwimmt und sagt: “Wollen wir Fangen spielen?” Nein danke, es tut sehr doll weh, und es ist ein Souvenir für länger aus diesem Tag am Meer, der gar nicht eingeplant war.

Und natürlich gehe ich nicht nackt zu anderen Menschen am Strand und frage die (nackten) Menschen, ob sie wissen, was ich jetzt mit diesen geschwollenen Hautstellen tun soll. Ich prüfe kurz im Internet, dass ich daran nicht sterben werde und lege mich nochmal in die Sonne.

Das war es eigentlich auch schon. War doch ganz unaufgeregt, so im Nachhinein betrachtet? Würdest du das nicht genauso machen?

Ja, so denke ich oft. Und merke: Viele Menschen, die ich kenne, würden das nicht machen. Nicht mal meinen Freundinnen traue ich das zu. Ich werde sie mal fragen…

Und du? Was machst du jetzt?

nadja petranovskaja Unterschrift signatur

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