Workshops werden 16.300 Mal pro Monat in die Suchzeile der Suchmaschinen eingegeben, und mindestens so oft weltweit organisiert, gehalten, moderiert, durchgeführt. Darum widme ich diesen Beitrag einer kurzen Auseinandersetzung dazu, was ein Workshop ist. Und was nicht.
Ein Workshop (zu Deutsch Arbeitstagung, Arbeitssitzung, Arbeitskreis, Kurs, Lehrgang, Seminar oder Denkwerkstatt) ist im Bildungswesen eine Veranstaltung, in der eine kleinere Gruppe mit begrenzter, kompakter Zeitdauer intensiv an einem Thema arbeitet. Ein Kennzeichen ist dabei die kooperative und moderierte Arbeitsweise an einem gemeinsamen Ziel.
https://de.wikipedia.org/wiki/Workshop
Was ist NICHT ein Workshop?
Wikipedia hin oder her, ein Workshop – im 21. Jahrhundert – ist es nicht, wenn jemand eine Gruppe von sowieso überarbeiteten Menschen in einen Raum einsperrt, um sie mit Hilfe einer vorher irgendwo im kleinen Kreis festgelegter Agenda durch einen Tag zu jagen.
Es ist auch KEIN Workshop, wenn die Inhalte vorher schon definiert wurden und von den Teilnehmern höchstens mit bunten Moderationskarten oder Klebenotizen kommentiert werden können.
Der Sinn eines Workshops ist es nicht, verbleibendes Budget für ein “jährliches Offisite” zu verschwenden, bei dem schon vorher alle wissen, wie es laufen wird und dass nichts bei rauskommt.
So wie es heute viel zu viele Meetings gibt, gibt es aus meiner Sicht auch viel zu viele Workshops.
Es fängt mit der Auftragsklärung an
Hier ein Bild, das ich in meinen Moderationstrainings nutze:
Wenn mein (interner) Auftraggeber und ich uns sicher sind, dass
- in dem betroffenen Thema die wesentlichen Punkte weitgehend unentschieden und entscheidbar sind,
- wir die Entscheidung gemeinsam gestalten wollen und
- die Teilnehmer richtig mitwirken können,
dann können wir Richtung Workshop marschieren.
In allen anderen Situationen reichen kurze Diskussionen im Rahmen normaler Arbeitssitzung oder eine Mail/ein Post als Maßnahme aus.
Ich bin mir sicher, mit diesem kurzen Check würden 50% der (sogenannten) Workshops nicht stattfinden.
#noagenda
Zweite Baustelle: die Agenda, die das eingeladenen Teilnehmer sicher zum Ziel des Workshops führen soll, wird meistens vorher in einem kleinen Kreis entschieden. Was den Entscheidern dann logisch und klar ist, kann auf die Teilnehmer verwirrend wirken. Sie brauchen Zeit, um zu verstehen, was sie auf die bunten Karten schreiben sollen oder warum wir jetzt eine Gruppenarbeit im Nebenraum machen, wo die Diskussion doch gerade so gut lief… Aber: Die agenda sagt, wir haben keine Zeit für die Diskussion, also ab in die Gruppenarbeit.
Wo wir früher munter planen und das Geplante auf hübsche Folien und in perfekte Agendas packen konnten, ändern sich heute Dinge schneller, als wir gucken können. Darum ist in den Workshops eine neue Vorgehensweise notwendig: #noagenda. Nur so können alle anwesenden Teilnehmer auch Teilgeber und Gestalter der neuen Prozesse werden. Nur in einem freien, durch die Anwesenden mitgestaltbaren Raum kann die Organisation die Vorteile des gemeinsamen, kollektiven Lernens für sich entdecken.
#noagenda bedeutet nicht, dass jeder macht was er will. (So bedeutet Agilität auch nicht Abwesenheit von Planung). #noagenda bedeutet, dass es im Vorweg des Workshops keine auf 10 Minuten genaue Agenda gibt. Es gibt ein Ziel. Dieses sollte der Gruppe transparent und klar sein und sollte mitgetragen werden.
Ist das Ziel für alle fein, geht es um die gemeinsame Gestaltung des Weges dahin. Hier unterstützt der (externe) Moderator mit seinen Kenntnissen der Architektur und der Methoden. Was kann/sollte in der Gruppe gemeinsam besprochen werden, was eher in Kleingruppen? Wo sollten wir schreiben? Wo lieber mit Bällen und Lego spielerisch und kreativ zum Ziel gehen?
So füllt sich der vorerst unklare “Wie kommen wir dahin?” Raum nach und nach mit ersten Antworten, neuen Fragen und immer stärkerer co-kreativer Zusammenarbeit.
Prinzipien hinter #noagenda
People over Tools: Es ist wichtiger, den aktuellen Bedürfnissen und Fragen der Teilnehmer im Workshop zu folgen, als eine neue fancy Methode auszuprobieren
Flow over Agenda: Es ist notwendig, manchen Teilen des Workshops mehr Zeit beizumessen, wenn dort gerade etwas wichtiges passiert und andere Teile des Ablaufes dafür zu kürzen oder eventuell komplett sein zu lassen.
Experience over Beauty: Wenn gerade etwas wichtiges passiert, wenn die Energie im Raum hoch ist und die Teilnehmer selbst von den Ergebnissen begeistert sind, dann kommt es nicht auf die Farbe des Stiftes und die Schönheit der Schrift an. Was unleserlich, aber wichtig ist, kommt wieder. Was schön, aber unwichtig ist, wird wieder vergessen.
Learning over Accuracy: Schnelligkeit und Intensität können manchmal nur erreicht werden, weil auf bestimmte Regeln keine Rücksicht genommen wird. Wenn das dem Lernerfolg und dem Ziel des Workshops dient, dann weg mit den Regeln!
Schwierige Teilnehmer
Immer wieder werde ich in den Moderationstrainings gefragt, wie man mit “schwierigen Teilnehmern” umgehen soll.
Meine Antwort: es gibt sie nicht.
Es gibt keine schwierigen Teilnehmer.
Wenn Menschen (in Abweichung von Ressourcen, Funktionen, Rollen usw.) sich wie ein Mensch behandelt fühlen, dann benehmen sie sich auch wie einer. Wenn jemand zu viel oder zu wenig redet in meinem Workshop, sollte ich ihm/ihr dankbar sein dafür.
Ja, es ist ein gutes Zeichen, wenn etwas nicht “gut” läuft. Weil ich dann sicher bin, dass die Gruppe weiß, was sie will. Und ich – wenn ich ohne Agenda arbeite und flexibel genug bin, diesem Wunsch zu folgen – auch mit anderen Mitteln und Wegen dafür sorgen kann, dass wir zum Ziel des Workshops kommen. Wir erarbeiten uns dann eben nicht nur die Ergebnisse, sondern auch den Weg zu den Ergebnissen.
Und sind dann doppelt stolz.
Gilt auch für Trainings
Das #noagenda Ansatz funktioniert übrigens ganz wunderbar auch in Trainings. Dazu mehr in einem der nächsten Blogbeiträge. Als Vorgeschmack diese wunderbare Übersicht von einer hoch geschätzten Lina Markauskaite:
Falls du in der ersten November-Woche und auf der Manage Agile Konferenz bist, dann können wir uns gern persönlich zu diesem Thema austauschen. Ich werde am 5.11. einen Workshop anbieten mit dem Titel: From death by PowerPoint to playful learning: become learning organization through #noagenda
Falls du Lust hast, immer ein passendes Format, eine passende Übung in deiner Tasche zu haben, um selbstbewusst in einen #noagenda Workshop zu marschieren, lege ich dir die #WonderCards ans Herz. Diese gibt es in Deutsch und Englisch in zwei Größen.
Falls du andere oder ähnliche Ideen zu dem Thema Moderation/Workshops hast, würde ich diese liebend gern kennenlernen! Hier im Kommentar oder in einem (Video)Telefonat.
Wie klingt das für dich?
Möchtest du mehr über Moderation lernen? Komme zu meinem 1-tägigen Workshop “Die Kunst der Moderation” im Atelier Werke und Werte in Hamburg am 27.3.
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