Warum es mit Working Out Loud besser ist als ohne

petranovskaja wol working out loud

Working Out Loud (WOL) springt mir auf allen Kanälen ins Auge. Da dachte ich, ich schreibe mal was darüber.

Prolog

Die Lieblings-Boygroup meiner Tochter heisst One Direction. Die Lieblings-Boygroup meiner Mutter war Beatles.
Warum das im Zusammenhang mit Working Out Loud“ steht? Das erzähle ich gern.

Kurzfassung

Jede Generation hat seine Idole. In der Musik sind es Musiker, in der Wirtschaft sind es Modelle oder Methoden. Wir wechseln Namen, Erscheinungsbilder, Farben. Wir jagen eine Sau durchs Dorf. Wir entwickeln uns. Und jede Entwicklung ist mit Lernen verbunden. Ich finde, dass es besser ist mit Working Out Loud zu lernen und Zukunft zu gestalten als ohne. Egal wie sehr die WOL Methode kritisiert oder gefeiert wird.

Lange Fassung

Was ist WOL

(du kannst diesen Abschnitt gern überspringen wenn du mit WOL bereits vertraut bist)

Wikipedia behauptet, WOL wäre eine Mentalität der Zusammenarbeit und eine darauf aufbauende Selbstlern-Methode. Entstanden 2010, wurde es entwickelt und von John Stepper unter anderem durch einen TED Talk bekannt gemacht. Selbstverständlich gibt es auch ein Buch dazu. Die Methode (eine selbstorganisierte Lernreise mit 4-5 Teilnehmern in einem WOL Circle) ist frei unter der Creative Common Lizenz verfügbar.

In Deutschland wurde die Methode (weniger die Mentalität) vor allem dadurch bekannt, dass große Konzerne (AUDI, BMW, Bosch, Continental, Daimler, Deutsche Bank, Telekom, Siemens) sich zu einer Community of Practice zusammengeschlossen haben und sogar den HR Excellence Award gewonnen haben – für ihre selbstorganisierte unternehmensübergreifende Zusammenarbeit und Austausch. Wenn das nicht ein Beispiel für „Nieder mit dem Silo-Denken!“ ist…

Um die Methode kennenzulernen, haben vier selbständige Kollegen und ich die 12 Circle Treffen und die darin enthaltenen Übungen und Aufgaben absolviert. Wir haben durchaus verstanden, dass manche Impulse in einer Konzern-Kultur revolutionär klingen können. Die positive, gut gemeinte, auf unsere Zukunft der Arbeit ausgerichtete Intention ist also durchaus klar. Das wird auch der Grund sein, warum die Zahl der WOL Circle stetig wächst und unter dem WOL Dach alles mögliche an Veranstaltungen, Formaten und Diskussion-Foren entsteht.

Sau durchs Dorf jagen

The more I see, the less I know for sure. – John Lennon, The Beatles

Nun kommen wir zur dunklen Seite der Macht. Wo etwas wächst und gedeiht, wo etwas populär und leicht zu haben ist, da sind natürlich Zweifel, Kritiker und Trittbrettfahrer nicht weit. Mir Schmunzeln las ich die WOL Beschreibung von Lars Vollmer:

Working out loud (abgekürzt: WOL) ist eine modische Managementmethode, bei der die Mitarbeiter im Konzern auf den Komplexitätsdruck der Digitalisierung mit der Vernetzung von Menschen reagieren. So weit, so gut: Da treffen sich also regelmäßig und in vorkonzipierten Circles Menschen kreuz und quer aus der Organisation und erklären sich gegenseitig, woran sie gerade arbeiten. Oder sie schreiben einen Blogartikel darüber, damit andere im Unternehmen und außerhalb davon erfahren können. Sie machen die eigene Arbeit irgendwie sichtbar und hörbar und reden dann darüber mit denen, die es interessiert. Das ist alles. Viel spannender wird es nicht.

Lars kritisiert vor allem den geglaubten Zusammenhang zwischen dem, was Mitarbeiter in den WOL Circles (meist in ihrer Freizeit) machen und der Verbesserung des Zusammenarbeit und der Umsätze.

Lieber Lars, ich verstehe deine Position, und ich möchte an dieser Stelle zwei Punkte vorbringen:

a) wenn etwas neu ist und hipp, dann sagen wir dazu „Da wird schon wieder eine Sau durchs Dorf getrieben!“ und wenden uns gern etwas verachtend ab. Mag eine hilfreiche Haltung sein, um sich auf die eigenen Themen besser fokussieren zu können. Mag aber auch (mal) komplett falsch sein. Wir werden erst hinterher erfahren, welche Sau doch keine Sau war und tatsächlich zu einer Transformation geführt hat. Das bringt mich zu Punkt

b) die Abwesenheit von Beweisen für etwas bedeutet nicht, dass es diese Zusammenhänge nicht gibt. Sprich, nur weil das WOL Vorgehen (methodisch) oberflächlich, vorkonzipiert, seicht erscheint, können wir dennoch nicht verhindern, dass es auch zur Änderung der Mentalität führt und die fünf Prinzipien von WOL erlebbar macht:

  1. Fördern von Beziehungen (Relationships)
  2. Großzügigkeit (Generosity)
  3. Sichtbarmachung der Arbeit (Visible work)
  4. zielgerichtetes Verhalten (Purposeful Discovery)
  5. wachstumsorientiertes Denken (Growth Mindset).

Nassim Taleb würde dazu sagen: Abwesenheit von Beweisen ist nicht dasselbe wie Beweise für eine Abwesenheit.

Warum New Work die Working Out Loud Mentalität braucht

Ich erspare uns den langen Text darüber, dass wir in einer VUCA Welt leben und alles um uns herum so furchtbar schnell und komplex ist. Gleich zum Punkt kommend, möchte ich auf die Themen kommen, die in sehr vielen Unternehmen bewussten Eingang in die gestalteten Transformationen fanden:

  • Selbstbestimmung und Selbstorganisation
  • Co-Creation und Ambiguitätstoleranz
  • Anerkennung und Wertschätzung
  • Sinnstiftung und Integration in das große Ganze

Betrachten wir die Ziele von WOL, sehen wir große Überlappungen. Mir persönlich fehlt nur die Integration in das große Ganze – und das (so verstehe ich die Kritik) ist auch der Punkt von Lars Vollmer.

Darüber hinaus finde ich auch viele Brücken zwischen den WOL Prinzipien und dem Manifest Generation Global vom Zukunftsinstitut, unter anderem bei den Stichworten

  • Wir sind mutig und probieren neue Arten der Lebensgestaltung aus
  • Vernetzung ist unser Normalzustand
  • Gemeinschaft ist unser höchstes Gut. Wir wählen unsere Communitys selbst.

Und dennoch

I don’t need the perfect one, I need the one who will make me feel like I’m the only one. – Zayn Mailk, One Direction

Jede Methode hat ihre Schwachpunkte. Jedes Modell vereinfacht die komplexe Realität. Jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird, ist irgendwann aus dem Dorf raus, und da es ganz ohne langweilig werden könnte, freuen wir uns immer wieder auf die nächste Sau. Diese betrachten wir eine Weile und dann gibt es meistens „dafür“ und „dagegen“ Lager.

Ob du dich nun für das „dafür“ im Working Out Loud entscheidest oder dagegen, eins ist und bleibt extrem wichtig: die Auseinandersetzung, das Lernen, das Erkennen der eigenen Themen. Anregende Anekdote dazu:

Sitzen zwei Männer in einer Bar irgendwo in der Wildnis von Alaska. Der eine ist religiös, der andere Atheist, und die beiden diskutieren über die Existenz Gottes mit dieser eigentümlichen Beharrlichkeit, die sich nach dem, sagen wir mal, vierten Bier einstellt. Sagt der Atheist: “Pass auf, es ist ja nicht so, dass ich keine guten Gründe hätte, nicht an Gott zu glauben. Es ist nämlich nicht so, dass ich noch nie mit Gott oder Gebeten experimentiert hätte. Letzten Monat erst bin ich weit weg vom Camp in so einen fürchterlichen Schneesturm geraten, ich konnte nichts mehr sehen, hab mich total verirrt, vierzig Grad unter null, und da hab ich’s gemacht, ich hab’s probiert: Ich bin im Schnee auf die Knie und hab geschrien: Gott, wenn es dich gibt, ich stecke in diesem Schneesturm fest und sterbe, wenn du mir nicht hilfst!”

Der religiöse Mann in der Bar schaut den Atheisten ganz verdutzt an: “Na, dann musst du jetzt doch an ihn glauben”, sagt er. “Schließlich sitzt du quicklebendig hier.”

Der Atheist verdreht die Augen, als wäre der religiöse Typ der letzte Depp: “Quatsch, Mann, da sind bloß zufällig ein paar Eskimos vorbeigekommen und haben mir den Weg zurück ins Camp gezeigt.”

Ob wir an etwas glauben oder nicht, wir finden die Bestätigung dafür. In diesem Sinne wünsche ich uns allen:

  • frischen Kopf für gute Erkenntnisse
  • mutiges Herz für das Alte verwerfen und Neues aufnehmen
  • dass wir fürs Leben lernen und dennoch kindisch aufgeschlossen sind gegenüber Dingen und Erlebnissen, die nicht sofort in eine bereits existierende Schublade passen.

Epilog

Früher waren es Beatles. Dann kamen Back Street Boys und heute sind es One Direction. Jede Generation hat ihre Boygroup, jede Ära hat ihre Methoden und ein Etwas, das begriffen und implementiert werden möchte. So wie eine Boygroup eine Nachfrage bedient, tut auch WOL eine aktuelle Nachfrage unserer Arbeitswelt bedienen.

Es handelt sich dabei nur um ein Beispiel, und ein sehr gutes für die Haltung, die da heisst: Mit diesem Etwas (WOL, Agile, Intrapreneurship, Blabla, Whatever) ist es besser als ohne, weil mit etwas aktiv tun, weil wir Dinge ausprobieren und somit lernen. (Eine Auseinandersetzung damit, WIE wir diese Etwas behandeln und ggf. in existierende Unternehmensprozesse übernehmen, könnte diesem Artikel folgen.)

Danke für das Lesen! Ich bin gespannt auf Meinungen und Kommentare und freue mich, wenn sich etwas Neues daraus ergibt.

petranovskaja Unterschrift signatur

PS: Eine umsetzbare WOL Inspiration findest du hier:

petranovskaja wol contribution list

Photo by Oleg Laptev on Unsplash

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