Negative Erfahrungen zu vermeiden ist eine negative Erfahrung

petranovskaja walderdbeeren zemljanika

Teil 1: Walderdbeeren

Rund um den Geburtstag meiner Tochter sind die Walderdbeeren reif. Im Russischen heißen sie zemljanika – das so ähnlich wie “sich der Erde zuneigende” bedeutet, während die gewöhnliche Erdbeere klubnika heisst und damit bloß die runde Form der Beere beschreibt.

Diese kleinen Beeren sind Teil einer meiner allerersten Erinnerung. Ich, ziemlich klein, bin in einem großen Wald und finde dort Walderdbeeren. Während andere Kinder ein bisschen naschen und dann lieber spielen gehen, möchte ich weiter sammeln, und dafür bekomme ich von der Kindergärtnerin einen Becher. Ich erinnere mich ganz genau an mein Schnaufen und an das Befühlen des Bechers bis zum Rand mit den kleinen Kügelchen. Ich esse die Beeren dann auch nicht selbst – ich gebe sie stolz ab und sie werden mit den anderen Kindern geteilt.

In dem Garten, in dem meine Kinder aufgewachsen sind, habe ich dann vor 25 Jahren auch Walderdbeeren ausgesetzt, und bis heute verstecken sich die kleinen roten, der Erde zugeneigten Beeren zwischen Gras und Blumen. Jedes Jahr, wenn ich zufällig um diese Jahreszeit on der Gegend bin, erinnern mich diese Beeren an die Zeit, wo meine Kinder genau so jung waren wie ich in meiner Kindheitserinnerung auf der Waldlichtung mit dem großen Becher, randvoll mit zemljanika.

Gestern habe ich wieder Walderdbeeren gepflückt und wieder mit anderen geteilt. Ich bin nun fast 50 Jahre älter, und dennoch üben die kleinen Beeren immer noch genau die gleiche magische Jagd-Anziehungskraft auf mich aus. Ich kann erst dann aufhören, wenn mein Becher randvoll ist.

Teil 2: Unter den Linden

Ja, heute geht es viel um ‘damals’. Damals, als ich geheiratet habe, haben die Lindenbäume geblüht, und deren Duft ist fest mit meinem Hochzeitstag verbunden. Obwohl ich seit bereits 13 Jahren nicht mehr verheiratet bin, erinnert mich der Duft der Linden immer wieder – jedes Jahr – an die Zeit, als ich jung und unbeschwert war, schallend lachend durch Berlin lief – unter den Linden natürlich! und dort meinen Hochzeitstag feierte mit meinem zauberhaften Gemahl. Geld für das Hotel auf dem Alexanderplatz hatten wir nicht wirklich, haben es aber trotzdem ausgegeben, und es war gut so. Der VW Käfer brauchte uns danach wieder zurück in Richtung Hamburg, und ja, es war schön – damals.

Heute blühen zwei wunderschöne alte Linden direkt neben dem Hauseingang in Belgien, wo ich lebe, und die Bienen erfreuen sich an dem süßen Nektar. Tränen habe ich nur jeden zweiten Tag, und obwohl diese Tränen an sich salzig sind, sind sie heilend und hilfreich, und somit irgendwie auch wieder süß. Ich erlaube mir, traurig zu sein und das ‘damals’ zu vermissen.

Denn eins habe ich auf den vielen Reisen der letzten Jahre gelernt:

Die Vermeidung negativer Erfahrungen ist eine negative Erfahrung.

Die Annahme negativer Erfahrungen ist eine positive Erfahrung.

Kings paradox, darum habe ich das wohl jahrzehntelang ignoriert. Versuche mal, dich in diese Sätze einzufühlen:

Die Vermeidung negativer Erfahrungen ist eine negative Erfahrung.

Die Annahme negativer Erfahrungen ist eine positive Erfahrung.

Gibt es etwas in deinem Leben, das du versuchst, schön zu malen? Etwas wo du aufstehen, Krone richten und weitergehen wählst, obwohl ein bisschen länger auf dem Boden liegen und heulen eine schönere Erfahrung gewesen wäre?

Ich schreibe das nicht, weil ich besonders schlau sein möchte. Ich schreibe das, weil ich jahrzehntelang zu schnell aufgesprungen und mit der leicht schief hängender Krone weiter gehumpelt bin.

Teil 3: Zu sein mit dem, was ist

Ich sitze auf dem Boden und spreche mit meiner Tochter. Tränen kullern und landen auf meinem umgebügelten Hemd. Meine Tochter, die nach Paris gezogen ist, um von dort aus online zu studieren, erinnert mich daran, dass ich nicht nur selbst viel zu schnell aufgestanden bin, um die Krone zu richten, sondern auch ihr stets nicht erlaubt habe, zu sein mit dem, was ist.

Stets habe ich Empfehlungen, Ideen oder Tipps erteilt, wie man mit der jeweiligen misslichen Situation umgehen könnte. Als ob Gefühle jenseits von Friede-Freude-Eierkuchen lebensgefährlich seien. Ich entschuldige mich und wir vereinbaren, dass sie mich in Zukunft darauf hinweist, falls ich versuche, das wieder zu tun.

Ich begreife, dass meine Gefühle, egal welcher Natur, noch nie jemandem wichtig schienen. Also nicht meinen Eltern und auch nicht einigen meiner Inner Circle Menschen (die ich mir wohl genau nach diesem Prinzip ausgesucht habe – wir wählen ja Menschen, die unsere Glaubenssätze bestätigen).

Ich habe jetzt andere Menschen um mich herum. Als ich halbe Stunde später mit roten Augen zum Abendessen erscheine, heisst es zustimmend: Ah, einer dieser Tage. Willst du eine Umarmung oder sollen wir dich einfach sein lassen mit dem, was ist?

Ich möchte einfach sein, mit dem, was ist. Es ist atemberaubend schön und überhaupt nicht schwer. Zu sein mit dem, was ist, ist wie unter dem blühenden Lindenbaum zu sitzen und den Mund voll mit zemljanika zu haben. Nicht anzukämpfen gegen das, was in mir passiert, sondern mit diesen Wellen schwimmen. Die Energie für das Sein nutzen – nicht gegen das Sein.

Teil 4: Die Stuhlübung

Zu sein in dem, was ist, funktioniert bei mir nicht so gut im Sitzen. Mein Kopf denkt permanent weiter, und ich bin gedanklich nicht bei der Sache. Darum brauche ich für das Sein oft Bewegung, Gartenarbeit oder Embodiment-Übungen.

In meinem Wunderland-Kurs gibt es eine Übung, die ich selbst recht unregelmäßig mache, aber sehr regelmäßig an meine Coaching-Klienten empfehle. Die Aufgabe lautet, sich jeden Morgen auf den Stuhl zu stellen, die Arme ganz weit auszubreiten und laut und deutlich zu sagen:

Ich bin ein leuchtender Stern!

Fun-Fakt ist: es ist ok, wenn der Kopf (also der Verstand) dieser Aussage nicht traut. Führt man diese Übung 21 Tage nacheinander aus, führt das zu einer wunderbaren Veränderung in der Grundstimmung, was mit vielen wissenschaftlich begründbaren Prozessen zusammenhängt, die ich jetzt nicht erklären möchte.

Fun-Fakt #2: Ich kann das auch mit Tränen in den Augen machen, denn wer sagt, dass Tränen mein Funkeln und Strahlen beeinflussen können?

Es ist nicht aufstehen – Krone richten – weitergehen. Es ist Selbstliebe und Selbstrespekt vom Feinsten. Ich stelle mich nciht auf den Stuhl, um die negative Erfahrung zu verdrängen. Ich stelle mich auf den Stuhl, um die negative Erfahrung aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Oft hilft es, mir selbst noch liebevoller und großzügiger Mitgefühl zu schenken.

Jetzt habe ich beinahe den roten Faden verloren.

Meine neue Lieblingsfarbe ist übrigens grün.

PS: Den Wunderland-Kurs kannst du übrigens buchen und ausprobieren: ENTDECKE DEIN WUNDERLAND

PPS: In meinem neuen Zuhause veranstalte ich ab und an ganz besondere Rahmen für deine Reflexion und Wohlbefinden – More Shiny Eyes Weekend.

nadja petranovskaja Unterschrift signatur

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