Oh, wie schön ist Panama

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Wie hängen Panama und Glück zusammen? Lass uns das zusammen rausfinden!

Als ich entdecke, dass es keinen Direktflug Hamburg – Dresden gibt, ist mir klar: es wird ein Abenteuer. Entweder mit dem Auto (nö, doch lieber nicht) oder mit dem Zug. Und als ich entdecke, wie lange eine Zugfahrt von Hamburg nach Dresden dauert, entscheide ich mich spontan doch … für einen Gabelflug. Hin über Frankfurt, zurück über München. Vor allem weil ich zurück dann mit vielen Kollegen gemeinsam die Strecke nach München nehmen kann, wo sie dann aussteigen. In der Zeit von virtueller Zusammenarbeit ist mir bereits eine gemeinsame Fahrt zum Flughafen viel Wert.

Kapitel eins: Stress

Der Mann vor mir an der Sicherheitskontrolle ist offenbar gestresst. Es fällt ihm links und rechts etwas aus der Hand. Er flucht und im gleichen Moment fällt wieder etwas hin. Seine Jacke ist zerknittert, sein Blick müde. Ich würde ihm ja gern ein „Alles wird gut“ zuflüstern, aber guckt mich gar nicht an und murmelt dauernd nur etwas von „Flug verpassen“.

Da fällt mir ein, dass ich vor kurzem mit einer Gruppe von Senior Managern darüber gesprochen habe, warum wir unter Stress keine Entscheidungen treffen sollten. Weil unser Gehirn dann im Alarm-Modus ist, und wir nur mit dem Stammhirn denken, welches bloß zwei Optionen kennt: Flucht oder Kampf. Kurzsichtig und auf wenige Optionen begrenzt scheint auch der Mann vor mir an der Sicherheitskontrolle nicht bemerkt zu haben, dass noch etwas in seinen Hosentaschen ist. Seufz.

Und da fällt mir noch etwas ein. Eine Studie über Mönche, die besagt, dass selbst diese Menschengruppe, die viel meditiert und allein schon durch die Ruhe des Klosterlebens recht gelassen sein sollte, vor diesem Stammhirn-Problem nicht geschützt ist.

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Kapitel zwei: Toleranz

Bis zum Boarding habe ich für gewöhnlich zwanzig Minuten. Das ist die Zeit, die ich sehr gern am Flughafen verbringe. Stressfrei zu meinem Gate schlendern, andere Menschen anschauen, Gedanken schweifen lassen. Seit ich beruflich viel unterwegs bin (und das bin ich seit 1998), sind mir während dieser Zeit vor dem Abflug sehr viele wertvolle Gedanken in den Sinn gekommen.

Heute habe ich fast eine halbe Stunden bis zum Boarding, und ich habe Hunger. Eine wunderbare Möglichkeit, Galja am Sushi-Stand zu besuchen. Dort werde ich von ihr mit einem „Zdrawstwujte“ begrüßt, denn ich komme regelmäßig. Sushi mit Supper und grüner Tee, ich möchte ganz in Ruhe Mittag essen und schauen, welche Gedanken mir heute dabei kommen. Der Laden ist voll, darum frage ich einen Fluggast mit einem asiatischen Aussehen, ob ich mich zu ihm an den Tisch gesellen darf. Ich darf. Auch er hat Sushi und Suppe, und kaum freue ich mich auf meine ruhige Mahlzeit, lerne ich in fünf Minuten sehr viel zum Thema Toleranz.

Dass Asiaten dem Koch gern akustisch zeigen, wie sehr sie sein Essen mögen, das weiß ich. Ich war auch schon paar Mal in China und Singapur und habe dort die Geräusch-Orgien sehr wohl als kulturelle Besonderheit zur Kenntnis genommen. Aber die Menge an Schmatzen, Schnalzen, Schlürfen, Rülpsen und anderen Geräuschen, für die ich gar nicht den Namen kenne, die passte für mich nicht zu der Hansestadt Hamburg, in der ich mich gerade befand.

Bis ich beschloss, Toleranz zu üben. Er macht nichts falsch. Es ist meine Bewertung der Situation, die mich gerade in den Wahnsinn treibt. Ich esse ja auch nicht Matjes mit Bratkartoffeln. Lecker die Suppe, ob ich nicht auch laut schnalzend schlürfen soll?

Und da fällt mir ein: Der Spruch „Das Leben ist zu 10 Prozent was uns passiert und zu 90 Prozent, was unsere Bewertung daraus macht“ liegt mir immer schnell auf den Lippen, wenn ich mit jemandem über schwierige Situationen spreche. Auf mich selbst angewendet, hat er gut funktioniert. Plötzlich merke ich: ich würde gern diesen Mann kennenlernen und ihn fragen, was er hier in Hamburg macht und ob ihm die Suppe wirklich so lecker schmeckt. Oder ob er einfach nur höflich erscheinen will.

Dazu komme ich nicht, weil sein Boarding offensichtlich schon gestartet ist und er davon eilt, ohne seine Fanta ausgetrunken zu haben.

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Kapitel drei: Geduld

Kaum zu glauben, es ist immer noch der gleiche Tag, knapp eine Stunde später bin ich schon zwei Lektionen reicher. Die Zwischenlandung in Frankfurt ist super pünktlich, was mir die Möglichkeit gibt, einen doppelten Espresso in meinem Lieblingsladen gegenüber Gate 14 zu bestellen. Als ich das erste Mal in diesem Laden gelandet bin – an einem Abend eines sehr langen Tages – spielte hier keine Musik.

Stattdessen hörten wir Dschungel- und Regengeräusche. Das war sehr entspannend, und an diesem Abend habe ich diesen Laden zu der Liste meiner Lieblingslokale hinzugefügt: man wird hier freundlich bedient, der Käsekuchen ist eine Sensation und der Ausblick auf die vielen Lufthansa-Flieger immer wieder eine Freude für mich als Traveller.

Einen Espresso später geht es wieder zum Gate – und heute hat die Maschine nach Dresden eine Außenposition, das bedeutet: Bus fahren. Außenposition bedeutet auch, ob Business oder nicht, alle gehen zusammen durch und nach unten und in den warmen Bus und dort warten wir, bis der Busfahrer entscheidet, dass der Bus voll ist. Und dann fahren wir quer durch den Frankfurter Flughafen und parken vor einer Maschine, die offenbar noch nicht bereit ist, uns reinzulassen. Es wird getankt. Die Rolltreppe ist noch nicht da. Wir warten.

Und da fällt mir auf: wenn ich das Gefühl habe, von etwas oder jemandem ausgebremst zu werden, gehe ich schnell auf 180. So auch hier. Statt wie alle anderen mit einem 90 Grad nach unten gebogenen Hals aus Smartphone zu starren, drehe ich meinen Kopf hin und her in der Erwartung von Veränderungen. Vor irgendwo muss ja die Rolltreppe kommen…

Ja, die Geduld gehört absolut nicht zu meinen Stärken. Ich nehme mir jedes Mal vor zu lernen, etwas mit diesen Lebensphasen zu machen, in denen ich warten muss. Und bestimmt werde ich das eines Tages schaffen. Nur heute klappt es noch nicht. Ich will in dieses Flugzeug, ich möchte mich auf mein Fensterplatz setzen und diesen Text schreiben.

Und etwas später klappt das auch.

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Kapitel vier: Vorhaben

Ich liebe deutsche Sprache. Egal wer und wie sie ausgedacht hat, er verdient alle Nobelpreise und Oskar dieser Welt dafür. Eine Sprache, die so vieles selbsterklärend macht.

Zum Beispiel das Wort Vorhaben. Ich habe etwas vor – es ist noch vor mir, aber ich habe es bereits, es ist in mir. Ein Wunsch, ein Traum, ein Gedanke.

Ich habe zum Beispiel schon länger vor, nach Südamerika zu fliegen. Egal mit welchem Land ich anfange. Hauptsache, ich mache aus meinem Vorhaben ein Unterfangen (und bei diesem Wort stelle ich mir vor, dass ich etwas fange und greife und ich mag dieses Bild).

Dass ich statt Südamerika nach Dresden fliege, daran erinnert mich ein wunderbarer Kurzbericht über Panama. Mal wieder merke ich, es wäre eigentlich doch gar nicht so schwer. Zeit auswählen, Ticket buchen, losfliegen… Was hält mich also?

Vielleicht kennst du so etwas auch. Ein Vorhaben zu haben ist nicht schwer. Etwas daraus zu machen braucht … hm… was braucht es eigentlich? Einen Schubs? Ein klares Warum? Eine Angst, dass es irgendwann zu spät sein könnte?

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Kapitel fünf: Oh wie schön ist Panama

Wir sind in Dresden. Ich treffe Kollegen und freue mich sehr. Ich laufe zu Fuss über die Elbe und freue mich, wieder in Dresden zu sein. Ich mag diese Stadt mit all den Kontrasten und Geschichten.

Es sind gerade viele Baustellen da. Dadurch gelingt es mir nicht, ein Landschaftsbild ohne Kräne zu schießen. Zuhause ist mein Blick aus dem Fenster frei von Baustellen. Zuhause, das ist der Ort, an den ich immer zurück will, wenn ich unterwegs bin. Schon seltsam.

Und da fällt mir ein: es gab diese Geschichte schon einmal. Von Janosch. Mit dem kleinen Tiger und dem kleinen Bären, die nach einer langen Reise im Kreis in ihrem alten Zuhause ankommen. Genau wie dem Tiger und dem Bären, wird auch mir aus der Distanz immer klar:

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Kapitel sechs: Glück

Was wir anstreben und vorhaben, ist nicht unbedingt der Garant für das Glücklichsein. Die kleinen Dinge des Lebens, die Details – darin steckt mehr Glück als uns oft bewusst ist. Echte Begegnung mit Menschen, Offenheit neuen Erkenntnissen gegenüber ist immer und überall möglich. Über den Wolken genau wie am Schreibtisch.

Denn dort, am Schreibtisch, bin ich inzwischen angekommen, um diese kleine Reisegeschichte zu finalisieren. Und ich bin sehr dankbar dafür, was ist. Über das Große und über das Kleine. Vielleicht werde ich nie nach Panama kommen – und ganz sicher bleibe ich trotzdem glücklich und gelassen.

Hast du auch so eine Panama-Geschichte? Lass hören!

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