Der bunte Film muss noch ins Labor, aber hier schon mal ein Bild in SW. eins aus der Reihe *Mäuschen sein*. ihr erinnert euch vielleicht, um 5:30 aufstehen, Bäckers vorletzter Tag. um 2 Uhr nachts macht er im Backhaus das Licht an, abends um 6 ist Feierabend, wenn seine Frau den Laden zuschließt. “wie machen Sie das, ist doch ein doppelt so langer Arbetstag wie bei Anderen?” – “es ist doch keine Arbeit, es macht Spass!”, sagt er und zieht fingerleicht die nächsten Brötchen aus dem Ofen, als wäre er nicht über 70. ich fühlte mich ein wenig wie eine alte Oma neben ihm, noch nicht wach, irgendwie unbeweglich und ich schäme mich bereits für diese Frage.
Sehr spannend war der Zeitpunkt, als zischende Brötchen mit Wasser bepinselt wurden. ich erinnere mich gut an Diskussionen beim Frühstück, wie das wohl ist, warum manche Brötchen knusprig aber fest, andere locker, aber zu weich sind. nun wußte ich, es ist nicht nur Teig und Temperatur, es ist auch dieses geheimnissvolle Zischen (und vielleicht ein Knuspergebet dazu?), das unseren Lieblingsrundlingen dünne, aber unwiderstehlich knusprige Kruste zaubert.
Eine Tüte warmer Brötchen nahm ich nach dem Schooting mit. unvergesslich!
ich rieche förmlich die frischen brötchen :-)
und wenn du ihnen die bilder bringst, bestellen ihnen einen feinen gruß vom netten, dicken, blondbärtige straßenfeger.
ich wünsche mir, auch sagen zu können…das ist doch keine arbeit, das macht spaß. davon bin ich aber gerade 100 % entfernt.
tja, man muß nicht bis indien reisen um geschmeidige reportagebilder zu machen.
und um die tüte warmer brötchen beneide ich dich ein wenig.
Ich kann das heute wieder mal besser nachvollziehen als sonst vielleicht. Heute durfte ich wieder 8 Stunden in meinem alten Nicht-Büro-Job als Koch arbeiten. Und irgendwie habe ich heute entgegen des normalen Alltags wieder richtig mal was erreicht zu haben. Nicht so wie im richtigen Job. Wo man abends nur schlecht sieht, was man tagsüber in Wirklichkeit getan hat. Wo man auch körperlich merkt, was man getan hat…
Ein Knuspergebet. Das ist schön. Die Brötchen haben da vorn eine Beule. Wo kommt das her? Ein kleiner Gebets-Pieks? ;o)
Die Sorgfalt mit der er arbeitet ist zu sehen, fein eingefangen.
Bernie, mach ich! :-) und an den Prozenten arbeiten wir, gell?
Star, danke für das dicke Kompliment. ich will nicht nach Indien :-)
Jürgen, du sprichst mir aus der Seele. Sinnlichkeit, so wichtig. zu sehen, zu spüren, dass man etwas erreicht – wie unglaublich wichtig!! gerade, wenn man das auch körperlich spüren darf. udn du – Koch? wow!
Aebby, danke!
Hm…meine Anmerkungen kommen nicht an …. ich gucke später nochmal.
Die Herren haben Recht. Eindeutig. (Auch, wenn ich das natürlich nur ungern zugebe)
Das Bild ist sehr fein und ich würde gern mehr aus der Serie sehen.
Ausserdem wollte ich dir meinen Respekt zollen, dass du es überhaupt getan hast. Die Idee an sich war schon fein, aber dann auch wirklich um so eine furchtbare Uhrzeit aufzustehen um es zu realisieren finde ich ausgesprochen lobenswert.
hallo Tanja, du wurdest im Spam einsortiert. ich rede nachher mit der Sortiermaschine, das geht so nicht!
Beule haben die Brötchen nicht, das ist der Schnitt, habe vergessen, wie der sich nennt….
Nika, danke danke, mehr Bilder gibbet sicher, besonders wenn die farbigen auch fertig sind und ich sie sortiert bekomme…
*Sortiermaschine beschimpfen geh*
Ah, ich bin sichtbar … ;o)
Ich denke, das kommt von meiner E-Mail-Adresse. Ist für den Sortierer höchstwahrscheinlich ausländischer Saukram-Spam … hihi.
ja, eine fremde Welt, diese Apfelcomputer….
Das erinnert mich an eine andere Geschichte und an Bilder, die ich leider nie machte.
Das Ganze muss ca. 4-5 Jahre her sein, vielleicht sogar noch länger. Ich lief durch die Stadt und wollte eigentlich irgendwie zum Friseur, und da mein Stammfriseur im Urlaub war, suchte ich halt so rum. Ja, Stammfriseur, bei meinen Haaren bin ich echt eitel, haha.
Ich stieß in meiner Stadt am Rhein in der Südstadt auf einen Friseurladen, der mir niemals aufgefallen wäre, wäre ich nicht zu fuß dort entlang gelaufen. So ein Spaziergang ist ja die reinste Entschleunigung.
Halt, nein, es war anders. ich habe ein paar Tage vorher Freunde besucht, die dort in der Nähe wohnten, und auf dem Weg vom Auto dorthin bin ich das erste mal dort entlang gelaufen, fällt mir grade wieder ein. Was mich faszinierte, also schon beim ersten Mal, das war der Blick in die Auslage, das Schaufenster. Alles voller alter, ja, man kann fast sagen “Devotionalien” des Friseurhandwerks. Ein angestrengter Blick tief in das Dunkel hinter der Scheibe ließ eine Inneinrichtung der 50er Jahre erkennen.
Wie auch immer, ein paar tage darauf also saß ich in diesem Laden, auf so einem alten Stuhl, voller Kunstleder, brüchig und rissig, und voller Chrom. Der Friseur, der alte Mann, der war wirklich sehr alt. Sein Sohn, etwa in meinem Ater, der war im Nebenraum und schnitt ebenfalls jemandem die Haare.
Der Mann, der mir flink und geschickt an den Haaren werkelte fing an zu reden. Er redete erst langsam, so, als wäre es irgendwie eine Überwindung für ihn, fast anstrengend. Ich sagte nichts, nur “ja” und “aha”, und dann erzählte er mir praktisch sein Leben.
Seine Frau, mit der er 45 Jahre verheiratet gewesen war, die ist vor einer Woche gestorben. Er erzählte mir von ihr, wie schwer das für ihn jetzt sei, aber das Leben muss ja weiter gehen, er hat ja noch seinen Sohn und “das Geschäft”. Er erzählte mir, wie das hier früher alles mal ausgesehen hat in der Südstadt, ach was, in der ganzen Stadt, nach dem Krieg, und auch davor.
Das alles hatte nichts beklemmendes für mich, nein, es passte irgendwie. Das musste so sein, es war auch irgendwie richtig in diesem Moment. Ich bin es ja auch gewohnt, das man mir ungefragt immer alles erzählt.
Beim Blick in den Spiegel sah ich an der Wand hinter mir ein paar Bilder hängen. Ich schaute genauer hin, da hing sogar ein recht großes Bild in der Mitte der anderen Bilder. Es war ein Plattencover, dass ich sogar kannte, vom sehen. Es war ein BAP-Plattencover. Die kommen ja aus dieser Stadt. Ich schaute noch mal hin, es waren die Jungs von BAP in diesem Laden, ich erkannte die Einrichtung. ich bin gewiss kein Fan dieser Truppe, aber ich kannte mal einen echten Fan, ist Jahre her, und da lief diese Scheibe auch immer, wenn ich mal dort war, das war noch zu Vinyl-Zeiten, lange her.
Es ist dieses Cover hier: http://www.ulk-music.de/assets/images/BAP_-_Ahl_Maenner__ahlglatt.jpeg
Dort, wo der olle Niedecken sitzt, vorne, da saß ich, als ich dieses Bild entdeckte.
Natürlich fragte ich, wie es dazu kam. Der Wolfgang, der wohnte in der Südstadt, das wusste ich, man sieht die kölschen Promis eh überall immer rumlaufen, geht auch gar nicht anders, dafür ist diese Stadt zu klein. Der Wolfgang war mal Stammkunde in diesem Laden, irgendwann dann kam mal die Frage, ob man hier Bilder machen könne, so mit der Band. Das ein Cover daraus entstehen sollte, davon wurde nichts gesagt.
Natürlich willigte der alte Mann ein, und er war auch hinterher mächtig stolz darauf, dass sein Laden dieses Cover zierte. Mit der Musik konnte er allerdings nichts anfangen. Was er bekam? Einen Händedruck und dieses gerahmte Foto nebst Unterschriften. Mehr wollte er auch nicht, wie er mir sagte. Und der Wolfgang? “Jahre nicht mehr hier gewesen, der wohnt aber um die Ecke.”
Irgendwie kamen wir noch auf das Thema Fotografie, und er flitze hinter die Theke und zückte einen alten Fotoapparat, irgend ein altes Ding aus den 50ern, an die Marke kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, Kleinbild, Gelbfilter vor der Linse, also musste schwarzweiss drin sein. Er habe früher viele Bilder gemacht, auch von seiner Frau. Aber er sieht nicht mehr so gut und das Scharfstellen bereite ihm Probleme. Ich dachte kurz an die Schere eben an meinem Kopf, aber das schien wohl noch zu gehen mit dem Schneiden.
Als wir an der Kasse standen und er mir den Fotoapparat zeigte, da kam auch der Sohn zu uns, und wir redeten noch bestimmt eine halbe Stunde, über die Stadt, über den Laden und über das Leben. In den alten Glasvitrinen lagen allerlei Gerätschaften, die wie Folterwerkzeuge aussahen. Ich erfuhr, dass dies alles “Arbeitsmittel”, mit denen sein Großvater schon den Kölnern die Haare geschnitten habe. Dieses Geschäft gab es schon seit Anfang 1900, es wurde immer wieder weitergegeben, ein Ur-kölscher Familienberieb also.
Die Stühle füllten sich allmählich mit neuer Kundschaft, der ganze Laden war auf einmal voller alter Männer, und alle hatten etwas zu erzählen, als sie mitbekamen, worüber wir uns unterhielten, wie das mal war, damals.
Irgendwann dann ging ich, ich betrat die Straße, es wurde plötzlich laut und grell und es war fast so, als wäre das eben alles nicht gewesen. Klingt abgedroschen, aber es war wirklich wie der Schritt aus einer anderen Zeit in die nächste. Ich drehte mich um, schaute noch mal in den Laden und sah all die alten Männer darin. Dann ging ich die Straße runter zum Auto.
Ich wollte danach eigentlich immer irgendwann mal dort Fotos machen, ich dachte mir so Sachen aus wie “ich stelle mal das Cover nach”, oder ich wollte einfach nur eine Art Reportage machen, Vertrauensvorschuss war ja genug da, so dachte ich. Schon fast berechnend. Aber irgendwie war ich ein Fremdkörper, eher war es doch so, dass ich kurz hereingelassen wurde um etwas sehen zu dürfen, zwischenmenschliches, was mir vielleicht normalerweise nie passiert wäre.
Später dann, wie auch jetzt und heute, wollte ich nicht mehr dorthin, weil ich mir diesen einen Moment, den ich da war, nicht kaputt machen wollte. Aus Angst, irgendwas würde nur noch banal und lächerlich klein wirken in der Erinnerung. Vielleicht ist der alte Mann auch schon tot, wer weiss.
Vielleicht gehe ich aber doch noch mal dort hin. Irgendwann.
erstmal baff bin. danke. das ist eine wunderbare geschichte, aus mehreren Gründen. zuerst als Story an sich. ich mag Kurzgeschichten. für eine kurze Zeit ganz woanders eintauchen, durch Schilderung der Situation ganz tief da drin schwimmen – und wenn der untere Rand des Textes sichtbar wird, sehr langsam weiterlesen. und ich find es toll, wie sehr man mitkommt hier – zufällig entdeckt, Entschleunigung, plötzlich wie im Film, wie der Laden sich mit neuen Männern fühlte, die alle etwas mit zu erzählen hatten, das fand ich tolles Bild, dazu höre ich bloß kein BAP, sondern eher was kubanisches, vielleicht wegen der Parallele zu den alten Herren.
dann ist es toll, weil ich Frisöre, besonders “richtige” sehr mag. mit richtig meine ich solche, die diese Arbeit als Berufung machen. von innen. ich kenne auch dieses “ich wollte dort immer Fotos machen” und es doch nicht zu tun. und es ist schön, dass meine kleine Bäcker-Story dich bewegt hat, hier was zu erzählen. danke.
Gern geschehen. Hin und wieder sabbel ich ja doch ganz gern :)
… und ich wünsche mir, das du niemals damit aufhören wirst.
hallo petranovskaja,
gerne würde ich die bäckerei fotos einmal sehen… geht das?
hallo Stina, ja, das geht. ich könnte sie zum Beispiel bei Flickr zeigen…
ja!!! super! danke….
okidoki, werde die Bilder suchen, formatieren und hochladen, aufgepasst?
das ist super! ich freu mich riesig! (es sind meine eltern!)
oh, das wußte ich nicht… ist fertig (-> http://www.flickr.com/photos/petranovskaja/sets/72157619236294571/), und die Fotos zum in der Hand halten bringe ich nächste Woche vorbei, habe jetzt endlich Abzüge fertig gemacht. liebe Grüße!
1000 dank! das sind wirklich ganz schöne bilder geworden!
und eine schöne erinnerung…
das foto von den beiden ist klasse!
vielen vielen dank!
stina