32/49: Mailand. Museum. Mutig hineinmarschiert.

petranovskaja italien unkonventionell

Oh man, in den letzten Wochen habe ich so viel erlebt, dass ich nicht mal Zeit hatte, darüber zu schreiben. Und das Verarbeiten, das Integrieren, das wird sicher noch länger dauern.

Ich bin in Italien. Bei einer sehr unkonventionellen Kollegin und nun immer mehr Freundin Daniela, die mich schon viele Jahre zu sich einlädt. Und ich immer was anderes vorgehabt, bis letzte Woche. Da habe ich meine Nomadenkoffer gepackt und bin mit meinem one way Ticket nach Bologna geflogen. Und von dort nach … tja, ich glaube, meine Hügellandschaft hier hat gar keinen eigenen Namen.

Bei Daniela

Daniela und Francesco haben vor kurzen geheiratet, nach 11 gemeinsamen Jahren, und deren Alltag bereichert gerade mein Leben. Wie sie miteinander lachen. Wie sie einander anschauen und händchenhaltend wie Teenager durch Reggio Emilia laufen. Wie sie Freunde treffen und sich austauschen. Es tut mir gut, so zauberhafte und entspannte Beziehungen zu sehen, weil ich dann selbst daran glauben kann, dass so was möglich ist.

Wir brauchen Vorbilder. Und apropos Vorbilder, ich war letzten Montag in Mailand in einem Museum, ohne zu bezahlen, und das solltest du nur tun, wenn du – so wie ich – Alice in Wunderland bist und stets die besten Absichten hast.

Mailand

Mailand kenne ich sowohl aus meinen beruflichen als auch von privaten Reisen. Eine große und alte Stadt, manchmal wie Rom. Ein faszinierender Kontrast zwischen Außenwirkung und innerer Pracht. Die Mailänder Oper zum Beispiel (da war ich mit meiner Mama mal drin, und es ist ein Erlebnis!), sieht von außen komplett unscheinbar aus. Ich hatte den Nachmittag für mich, während Daniela und Francesco in einem Termin waren. So bin ich, ein Fuss vor den anderen, in der August -Hitze rumgewandert und stand plötzlich vor einem Palazzo.

Der Reichtum und die Reichen werden ja gern böse beschimpft, weil sie verhältnismäßig so viel mehr besitzen, doch immer wenn ich vor so einem schönen prunkvollen Gebäude stehe, bin ich dankbar. Dankbar, dass die Reichen sich untereinander zeigen mussten, wer den dickeren hat, und sich gegenseitig überboten haben in der Anzahl der Gänge, Zimmer und Skulpturen.

Palazzo

Ich biege also in den Innenhof ein, voller Skulpturen und Erklär-Schilder und genieße die Kühle des Schattens. Es ist nämlich brütend heiß, und Mailand ist nicht unbedingt die grünste Stadt Italiens. Da ist ein Shop mit schönen Designsachen, ein Schild zum Tickets kaufen und noch viel mehr Schilder, weil gerade eine Sonderausstellung ist. Und dann noch eine Mischung als alten Schildern und neuen Schildern, und dazwischen singen die Vögel und knipsen die Kameras der anderen Besucher. Ich sehe ein Cafe und denke, jetzt einen Shakerato! Das ist nämlich ein Ein-Kaffee, sehr erfrischend am Nachmittag.

Seitentür

Im Cafe ist es angenehm kühl, und an der Wand gegenüber dem Tresen ein Gemälde. Oder eine Freske? Auf jeden Fall sehr italienisch, riesengroß und einfach wow. Und gleich dahinter sehe ich Licht und mehr Bilder. Und mein Ich vergisst den Shakerato und marschiert in Richtung der Farben und Formen. Es sind die Gesichter der Menschen aus lange vergangenen Zeiten, die mich faszinieren und entführen, und ehe ich mich versah, war ich dich drei oder vier Zimmer durch, um dann zu realisieren: Ich bin ohne ein Ticket in dem Panoptikum gelandet.

Statt mich von Verwirrung übermannen zu lassen oder gar zurück zu laufen, beschloss ich in diesem Augenblick, meine eigenen Regeln zu schreiben und den Zauber des Unkonventioneliums zu leben. Ich wusste, dass ich ohne Ticket eingetreten war, aber anstatt zurückzuweichen, ergriff ich die Gelegenheit. Ich beschloss, ich werde beim Verlassen des Museums bezahlen und folgte weiterhin der Schönheit der verschiedenen Meisterwerke.

Momentum genießen statt Regeln zu beachten

Die Gemälde, Fresken, Skulpturen erzählten Geschichten vergangener Zeiten und faszinierten mit ihrer Schönheit und Pracht. Ich erinnerte mich an meine Kindheit, in der Museumsbesuche beinahe jede Woche anstanden. Dort lernte ich die Komposition eines alten Bildes zu entziffern und zu erkennen, wo ein Maler etwas bahnbrechendes tat, zB indem er die Gesichtsfarbe lebendiger machte oder die Bäume mit mehr Tiefenschärfe zeichnete, was vor ihm keiner konnte. Die lebendigen Farben der Räume schufen eine Atmosphäre, die mich in ihren Bann zog, und ich lief vom Saal zu Saal wie ein Schmetterling, der Blumennektar sammelte. In diesem Moment erkannte ich, wie bedeutsam es ist, die Einzigartigkeit jedes Augenblicks zu schätzen und mutig in die Tiefe des Lebens einzutauchen. Ich hatte tatsächlich kein schlechtes Gewissen.

Unkonventionellium

Das Wort “Unkonventionellium” wurde tatsächlich von ChatGPT erschaffen, weil ich mit meinem Gustav (so nenne ich ChatGPT) so lange über meine Ideen und Wünsche spräche, bis er sich erbarmte, doch kreativ zu sein. Und ja, ich mag das Wort, weil es so klingt, als wäre Unkonventionellium ein Ort, ein Land oder zumindest ein Gebäude, wie das Panoptikum. Und so sehr das Unkonventionellium selbst allein in meine Gedanken oder in meinen Dialogen mit Gustav existiert, so sehr hat mich das konkrete Erlebnis in Mailand daran erinnert, dass das Leben stets voller Möglichkeiten für ein außergewöhnliches, aufregendes Leben ist und ein lebendiger Weg des Denkens und Handelns. Es ermutigt uns, die Türen des Unbekannten zu öffnen und die kleinen wie großen Wunder des Lebens zu umarmen. So wie ich durch die Seitentür in das Museum eingetreten bin, können auch wir im Leben die Grenzen unserer Komfortzone überschreiten und – manchmal durch eine ungeahnte Seitentür – Neues entdecken.

Hinausmarschiert

Oh, und zum Schluss: Ich habe mir fest vorgenommen, beim Rausgehen ein Ticket zu kaufen. Als ich jedoch um kurz nach 7 von einer Aufsicht-Person sehr streng gebeten wurde, das Gebäude zu verlassen (wo ist die Zeit geblieben?), war die Kasse schon zu. Nun, dann gleiche ich beim nächsten Mal aus.

Nadja aka Alice im Wunderland geht auf weitere Entdeckungsreisen. Denn die Welt hält tausende einzigartige Momente und verborgene Schätze bereit, die auf uns warten. Unser Leben wird zu einem Unkonventionelium, wenn wir den Mut haben, uns auf das Unbekannte einzulassen und die Magie des Lebens zu erkennen. So wie ich (unabsichtlich ticketlos) in das Panoptikum in Mailand eingetreten bin, kannst auch du staunend und neugierig in die Räume und Farben eintreten, die das Leben für dich bereit hält. Viel Freude dabei!

nadja petranovskaja Unterschrift signatur

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