16 Monate Nomadin: Reise durch Liminal Space

More Shiny Eyes Liminal Space Nadja Petranovskaja

Die Zahlen eins bis neun schreibt man aus, ab 10 darf man sie als Zahl im Text schreiben, so habe ich das mal gelernt. Meine Zeilen über acht Monate Nomadentum liegen nun acht Monate zurück, und 16 als Zahl schreiben zu dürfen, fühlt sich wie eine Art Beförderung an.

Wann kommst du denn zurück? – Diese Frage bekomme ich immer noch gestellt. Und ich verrate dir was: bald. Mit einem kleinen Hinweis. Wenn „zurück“ = „nach Hause“ bedeutet, heißt das nicht, dass ich mich wieder in Hamburg ansiedeln werde. Ich möchte dir etwas über „Liminal Space“ erzählen – einen Bestandteil jeder Reise, über den meistens bloß geschwiegen wird, weil dieser unheimlich ist und sich kaum nach Heldentum anfühlt.

Die Heldenreise

Ich liebe das Modell der Heldenreise und nutze es auch im Unternehmenskontext mit Teams, zum Beispiel bei größeren Change-Initiativen. Dieses Modell, das von Joseph Campbell in seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ 1949 uns geschenkt wurde, beschreibt eine sich wiederholende Struktur, die vielen Mythen und Geschichten zugrunde liegt. Diese Reise besteht aus mehreren Phasen, die ein Held durchläuft, um Transformation und Erkenntnis zu erlangen. Hier findest du eine kurze Erläuterung des Modells und Fragen, die du dir stellen kannst, um z.B. deine letzte Transformation zu reflektieren oder dich auf die zukünftige vorzubereiten:

  1. Gewöhnliche Welt
    • Der Held lebt in seiner gewohnten Umgebung und führt ein normales Leben.
    • Frage: Wo begann deine Reise? Was war deine “gewöhnliche Welt”?
  2. Ruf zum Abenteuer
    • Der Held erhält einen Aufruf oder eine Einladung, seine Komfortzone zu verlassen und ein Abenteuer zu beginnen.
    • Frage: Was hat dich dazu bewegt, deine Komfortzone zu verlassen und ein Abenteuer zu beginnen?
  3. Verweigerung des Rufs
    • Der Held zögert oder weigert sich zunächst, dem Ruf zu folgen.
    • Frage: Hattest du anfängliche Zweifel oder Ängste, als du dich auf dein Abenteuer vorbereitest hast?
  4. Begegnung mit dem Mentor
    • Der Held trifft einen Mentor oder Ratgeber, der ihm Unterstützung und Weisheit bietet.
    • Frage: Wer oder was hat dir auf deiner Reise als Mentor gedient?
  5. Überschreiten der ersten Schwelle
    • Der Held überwindet die erste große Hürde und betritt eine neue, unbekannte Welt.
    • Frage: Was war der erste große Schritt oder die erste Herausforderung auf deinem Weg?
  6. Prüfungen, Verbündete und Feinde
    • Der Held begegnet Herausforderungen, findet Verbündete und stößt auf Feinde.
    • Frage: Welche Prüfungen hast du bestanden? Wer waren deine Verbündeten und wer deine Gegner?
  7. Vordringen zur tiefsten Höhle
    • Der Held nähert sich dem zentralen Konflikt oder der größten Herausforderung.
    • Frage: Was war der tiefste Punkt oder die größte Herausforderung deiner Reise?
  8. Prüfung
    • Der Held durchläuft die entscheidende Prüfung und konfrontiert seine größte Angst.
    • Frage: Welche entscheidende Prüfung oder Angst hast du überwunden?
  9. Belohnung
    • Der Held erhält eine Belohnung oder Erkenntnis für seine Anstrengungen.
    • Frage: Welche Belohnung oder Erkenntnis hast du am Ende deiner Reise erhalten?
  10. Rückweg
    • Der Held macht sich auf den Rückweg in seine gewöhnliche Welt, oft mit neuen Herausforderungen.
    • Frage: Wie verlief dein Rückweg? Welche neuen Herausforderungen hast du auf dem Rückweg erlebt?
  11. Auferstehung
    • Der Held wird in seiner alten Welt erneut getestet, um die Veränderungen und gewonnenen Weisheiten zu integrieren.
    • Frage: Wie wurdest du in deiner gewohnten Welt erneut getestet, und wie hast du die neuen Erkenntnisse integriert?
  12. Rückkehr mit dem Elixier
    • Der Held bringt das Gelernte zurück in die gewöhnliche Welt, um anderen zu helfen.
    • Frage: Wie nutzt du deine Erfahrungen, um anderen zu helfen oder die Welt um dich herum zu bereichern?

Liminal Space

Ich bin im März 2023 aus meiner normalen Welt ausgebrochen, eher im Kensho- als im Satori-Stil (zu Kensho und Satori erzähle ich gern ein anderes Mal mehr) und hatte das starke Bedürfnis, meine familiäre und finanzielle Freiheit dazu zu nutzen, die Welt zu erkunden und ein Zuhause zu finden, das meiner Persönlichkeit entspricht. Auch im Arbeitsbereich habe ich mir vorgenommen, mich viel bewusster auf meine Stärken und Leidenschaften zu fokussieren und noch stärker zu reduzieren, was mir bloß Geld, aber keinen Spaß bringt. Sehr befreiend. Aus der Wohnung ausgezogen, das Auto verkauft, meine paar Sachen im Storage Room eingelagert. Noch befreiender.

Und dann bin ich im Liminal Space gelandet. Einem Raum zwischen gestern und heute, zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen dem, was war, und dem, was wird. Und ich habe mich sehr lange gegen diesen Raum gewehrt – weil dieses Gefühl, nirgendwohin zu gehören, so sehr befreiend wie störend ist. Wenn ich auf die Frage “Was machst du?” mit einem einfachen “Ich reise” geantwortet habe, habe ich jedes Mal die Freude und den Stich ins Herz gemerkt. Ich bin so frei. So frei. Und so ungebunden. Und … wird es überhaupt jemand merken, wenn mein Helium-Ballon nicht mehr am Himmel sichtbar ist? Wie mache ich mich für mich selbst bemerkbar?

Zwischen den Unsicherheiten, den Zweifeln und den Unklarheiten habe ich den größten Schatz aller Zeiten und aller Kontinente gefunden. Ich habe meine eigene innere Stimme gefunden und mit ihr auch den Zugang zu meiner eigenen Weisheit, meiner eigenen starken und selbstsicheren Intuition und zu meiner unerschütterlichen Gewissheit. Diese Schätze waren tief vergraben, ganz weit weg im Bereich, der von vielen bösen Trollen und dunklen Monstern beschützt war. Und diese Trolle und Monster waren alle selbstgemacht; es waren meine eigenen Glaubenssätze und Gewohnheiten. Sehr vieles musste ich freilegen, aufräumen und an die Oberfläche bringen, um mich selbst zu heiraten, mir selbst die beste Freundin zu werden und mit mir selbst einen Vertrag zu schließen.

Ein Vertrag mit mir selbst

Das Format des Vertrages mit sich selbst nutze ich in meinen Coachings, und seit ich mich stärker mit verlorengegangenen Ritualen beschäftige, gestalte ich die Vertragsunterzeichnung gerne super feierlich. Wo möglich, werden Tintenfass und edle Schreiber genutzt, gerne auch Dufttinte und Kerzen, Wachssiegel und Kelche mit spritzigen Getränken.

Hier mein Selbstvertrag:

Ich, Cleo | Nadja Petranovskaja,

verpflichte mich am heutigen Tag feierlich, meinem Nordstern zu folgen. Sowahr ich jetzt auf diesem wunderbaren Planeten atme und weile, werde ich jeden Tag daran arbeiten, meine Visionen zu manifestieren. Beim Zähneputzen, Kaffee trinken und sogar beim Socken anziehen erinnere ich mich daran, meine Träume lebendig zu halten und meinen Zielen näher zu kommen. Ich verspreche mir selbst, mutig, neugierig und frech zu sein und meine Komfortzone zu verlassen, um großartige Dinge zu erleben.

So sei es. Àse

Über Nordstern habe ich schon mal geschrieben, vielleicht mache ich das demnächst nochmal. Und auf jeden Fall werde ich dir erzählen, was es mit dem Wort “Àse” auf sich hat und wie ich in New York in einer digitalen Ausstellung über Yoruba-Kultur eine meiner wichtigsten Fragen beantwortet bekam.

So viel zu tun. Dabei möchte ich bloß sein.

Und du so?

Grüße aus dem Liminal Space, auf der Rückreise

Cleo | Nadja

PS: Ich reise immer noch, meine Aufenthalte sind jetzt jedoch durchdachter und länger. Ich habe grandiose neue Menschen kennengelernt und in mein Leben eingeladen. Es ist eine tägliche Aufgabe. Das ganze Leben sieht aus dem Liminal Space anders aus. Bestimmt ist das mit dem Blick auf die Erde aus dem Weltraum vergleichbar. Wenn du dich traust, lade ich dich ein, deinen Liminal Space zu erkunden. Zumindest die Nase in diese Richtung zu strecken.

Photo: Francesca Bliss

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