1/49: über Vorurteile und Privilegien

Diese Woche bin ich 49 geworden, und ich habe mir vorgenommen, 49 Dinge zu erleben. Mit Erleben meine ich, mich bewusst auf etwas einlassen, Komfortzone verlassen, Neues ausprobieren und lernen. Aber auch etwas wieder ausgraben, was auf dem Dachboden oder ganz hinten im Schrank in Vergessenheit geraten ist. Ich habe in meinem Newsletter nach Ideen und Anregungen gefragt und wurde mit einigen Impulsen überrascht. Danke für die Inspiration und den Schubs. Ein Schreiber ist ohne Leser ein sehr einsames Wesen.

Meinen Geburtstag habe ich größtenteils in einem Flugzeug verbracht, welches ich selbst gebaut habe. Über dieses Geschenk und wie ich gefeiert habe, kannst du HIER ein paar Zeilen nachlesen. Geflogen bin ich nach San Diego. Dort hat mein Papa mich und meine Kinder abgeholt, und wir sind zu ihm nach Mexiko gefahren. Und nein, mein Vater ist kein Mexikaner – er ist in der Ukraine geboren -, er lebt und arbeitet seit 1997 an einer mexikanischen Universität, in einem Land, dass leider mehr für Drogenkartelle berühmt ist als für den Fakt, dass es – gemessen an dem Bruttosozialprodukt – viermal so viel für die Bildung aus gibt wie Deutschland. Bin mir ziemlich sicher, mal darüber gebloggt zu haben, finde es aber in meinem sehr dicken Tagebuch nicht mehr.

Nun bin ich also an meinem Geburtstag in drei Ländern gewesen. Frühstück in Hamburg, Cappuccino in USA und Papas Suppe in Mexiko. Am wunderbar duftenden und sehr üppig geschmücktem Weihnachtsbaum, den ich in meinen jungen Jahren stets an meinem Geburtstag schmücken durfte. Aus Tradition habe ich mir jahrelang Tannenbaumschmuck zum Geburtstag schenken lassen…

Warum erzähle ich so viel drumherum? Nun, weil ich mir meiner Privilegien bewusst bin. Reisen können, frei sein, laufend warmes Wasser, welches ich direkt beim Duschen auch trinken kann… Sofort nach dem Überqueren der amerikanisch-mexikanischen Grenze (ja, mit dem hässlichen Zaun) machen sehr viele dieser Privilegien mich zu einem Menschen einer anderen Klasse inmitten der lächelnden und singenden Mexikaner.

Man, bin ich froh, dass ich Mexikaner sagen darf! In meiner ersten Challenge geht es nämlich um einen Mexikaner-Häuptling, und Indianer als Wort ist gerade böse geworden. Wobei es mich sofort daran erinnert, dass es WIR sind, die einem Wort Bedeutung geben, und natürlich danach auch die Zuhörer unserer Worte. Wenn ich jemandem beleidigen oder erniedrigen wollen würde, reicht dazu ja schon mein entsprechender Gedanke.

Vorurteile und der Versuch, sich besser als jemand anders zu fühlen, sind vermutlich angstgesteuert. Angst, dass mir nicht die gleiche Liebe zufließt, wie einer anderen Person. Ich habe diese Angst nicht, seit ich gelernt habe, mich selbst zu lieben.

Und ich danke meiner Freiheit zu reisen für diese Erkenntnis.

1/49: Privilegien und Vorurteile

“Übermorgen fahren wir in die Berge”, sagt mein Vater zu mir, während wir die Suppe am Weihnachtsbaum schlürfen. “Was machen wir dort?” – frage ich.

Wir fahren an Farben der Erde vorbei, die unbeschreiblich schön sind. Ocker, Ziegelstein, alle Braun- und Grüntöne, die eine Farbpalette je gesehen hat. Keine Kamera der Welt kann diese Schönheit auch nur annähernd festhalten.

Der Mann mit den schönen Augen auf dem Bild neben mir heißt Rito und ist der Häuptling der Kumiay. „Indianer sagt man nicht“, hieß es gleich von meiner Tochter, und das war dann auch mein Thema: trage ich in mir Bewertung für solche Wörter? Bin ich herabschauend? Was denke ich über Menschen, die ganz anders leben?

Leben Menschen, die anders sind oder anders handeln, besser oder schlechter? Wie denke ich über diese Menschen? Bin ich mir meiner Privilegien bewusst?

Die Anreise nach Ensenada, wo mein Vater seit 1997 lebt, ist stets das Überqueren vieler Grenzen. Zum einen die Zeitzonen, zum anderen die Barriere zwischen USA und Mexiko. Der große Zaun, von dem Trump eins sprach, der steht hier wirklich. Doch trennt dieser Zaun Welten oder schafft er eher gemeinsames Bewusstsein über Privilegien, Sinn und Unsinn er Politik und die Sehnsucht nach einer echten Freiheit?

Die Sonne ist warm, der Wind spielt mit den trockenen Blättern am Boden. Es gibt einfaches und köstliches Essen und einen kühlen Jamaika Tee. Um uns herum laufen neugierige und hungrige Hühner, Hunde und Kinder. Wir führen Gespräche über Berge und über Kinder, in einem Gemisch aus Sprache und Augenkontakt. Ich spüre Herzenswärme trotz der Sprachbarriere. Ich spüre Ruhe und Entspannung. Nach dem Essen gehen meine Tochter und ich Pferde streicheln. 

Das Leben ist schön 🐓♥️
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